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Wenn die Katzen Ferien machen

Die Fälle Sami A. und Maaßen zeigen: Beamte fühlen sich wohl ohne Parlamentskontrolle

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Sami A. war angeblich Ex-Leibwächter des langjährigen Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden und somit nicht gerade ein Typ, den man gerne zum Nachbarn hat. Doch so lange keine Schuld festgestellt ist, gilt auch für ihn die Unschuldsvermutung und natürlich kann er sich legal dagegen wehren, abgeschoben zu werden. Zumal dann, wenn ihm in seiner Heimat Tunesien womöglich Folter droht.

Doch Sami A. wurde am 13. Juli von Düsseldorf aus abgeschoben - entgegen einem Bescheid des Verwaltungsgerichts in Gelsenkirchen. Das hatte die Abschiebung wegen angeblich drohender Folter für unzulässig erklärt. Doch der Gerichtsbeschluss erreichte die Ausländerbehörde Bochum erst, als Sami A. bereits im Flugzeug saß.

Was ausschaut wie die Verkettung unglücklicher Umstände, war offenbar eine geschickt eingefädelte Aktion. Die nordrhein-westfälischen Behörden hatten das Gericht absichtlich nicht über den Abschiebetermin informiert.

Das wollte die deutsche Anwältin des Tunesiers nicht auf sich beruhen lassen. Wie das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen fordert sie die Rückholung des Tunesiers, der in seiner Heimat nach kurzer Haft wieder freigelassen worden ist. Da die Stadt Bochum jedoch keine Anstalten zur Rückholung unternahm, wurde sie zu einem Zwangsgeld von 10 000 Euro verpflichtet. Eine Beschwerde der Kommune gegen den Rückholbeschluss hatte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen. Auch ein ähnliches Ansinnen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) schlug fehl.

Eigentlich ist damit rechtsstaatlich alles entschieden. Trotzdem soll das Bochumer Ausländeramt mit Hilfe des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen weiter sein »eigenes Ding« betreiben. Man setzte ihn auf die Liste des Schengen-Informationssystems. Das bedeutet: Seine Einreise ist unerwünscht. Er kann nicht zurück nach Europa.

Normalerweise würde jetzt ein parlamentarischer Aufstand losbrechen. Der Innenausschuss in Nordrhein-Westfalen würde den zuständigen Minister vorladen. Spätestens nachdem die Einreisesperre bekannt geworden ist, würde im Bundestag ein vergleichbares Prozedere anlaufen. Zusätzlich müssten sich Landes- und Bundespolitiker vor der Presse erklären. Das Thema wäre tagelang in den Schlagzeilen. Doch das geschieht nicht, denn die Parlamentarier machen Ferien.

Wenn die Katze aus dem Haus ist, ruht die parlamentarische Kontrolle. In den Abgeordnetenbüros sind - wenn überhaupt - nur »Stallwachen« anzutreffen. Das ist auch ein Grund dafür, dass der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz so gelassen auf gewichtige Vorwürfe reagieren kann. Die lauten so:

Amtschef Georg Maaßen hat sich vor rund drei Jahren mit der damaligen AfD-Vorsitzenden Frauke Petry getroffen. Nicht zufällig und nicht nur einmal. Von Beratung ist die Rede, denn Maaßen soll der Rechtsaußen-Frau nahegelegt haben, ein Parteiausschlussverfahren gegen den Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke einzuleiten, der immer wieder durch extrem rechtlastige Provokationen von sich reden macht. Anderenfalls wäre eine Beobachtung und Nennung der AfD im Verfassungsschutzbericht unvermeidbar.

Das von Horst Seehofer geleitete Bundesinnenministerium dagegen behauptet, es habe »keine Empfehlungen oder Ratschläge hinsichtlich des Umgangs mit Personen oder Strömungen der AfD gegeben«. Maaßen lässt erklären, dass er keine Sympathie für die AfD hege. Das war’s.

War’s das? Fast. Die SPD hat das Thema angeblich zur Kenntnis genommen, die FDP regte an, den Geheimdienstchef im Innenausschuss des Bundestages zu befragen. Nach den Parlamentsferien. Konstantin von Notz, Fraktionsvize der Grünen, ist etwas forscher und will, dass sich das für Geheimdienstaufsicht zuständige parlamentarische Gremium mit dem Fall befasst. Und zwar noch vor dem Ende der Sommerpause.

Der übergroße Rest der Parlamente lässt die Mäuse tanzen ...

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