Es fließen mehr Mittel aus Afrika ab als zu

Martin Ling über den Transfer von Ressourcen von Süd nach Nord

Afrika hängt am Tropf der Geberstaaten. So lautet eine gängige entwicklungspolitische Formel. In den vergangenen 50 Jahren sollen mindestens eine Billion Dollar an afrikanische Regierungen geflossen sein. Was darüber geflissentlich verschwiegen wird, hat eine neue Studie erneut belegt: De facto gibt es einen Netto-Ressourcentransfer aus Afrika in den Globalen Norden, es fließen unterm Strich mehr an Finanzmitteln ab als zu. Von 1970 bis 2015 gingen den 30 in der Studie untersuchten afrikanischen Ländern durch Kapitalflucht 1,4 Billionen Dollar verloren. Rechnet man die Zinserträge dazu, sind es sogar 1,8 Billionen Dollar, so die Autoren vom Political Economy Research Institute (PERI) an der Universität Massachusetts-Amherst in ihrer Publikation.

Die Wirtschaftswissenschaftler um Léonce Ndikumana halten die Kapitalflucht für das zentrale Problem, dass es viele afrikanische Länder nicht schaffen, ihren Reichtum an Bodenschätzen in Wert zu setzen. Und nicht die korrupten Regierungen und ineffizienten Behörden, die keinesfalls in Abrede gestellt werden, angefangen bei den ölreichsten Ländern Afrikas, Nigeria, Angola, Gabun und der Demokratischen Republik Kongo.

Statt der etwas simplen Forderung nach EU-Marktöffnung für alle afrikanischen Güter à la Entwicklungsminister Gerd Müller wäre den afrikanischen Ländern weit mehr geholfen, wenn die EU ihre Banken und multinationalen Unternehmen gesetzlich zur Transparenz und zum Einhalten von menschenrechtlichen Standards auch in Afrika verpflichten würde. Bisher können sie dort ungestraft machen, was sie wollen: von Ausbeutung bis zu illegaler Kapitalflucht.

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