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  • Nazisymbole in Computerspielen

Befreiung aus der Schundspirale

Warum es richtig ist, dass verbotene Nazisymbole aus Computerspielen nicht mehr grundsätzlich entfernt werden müssen

  • Till Mischko
  • Lesedauer: 5 Min.

Wie ein Volltreffer aus einem Raketenwerfer schlug jüngst die Meldung ein: Künftig werden die Gremien der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) die sogenannte »Sozialadäquanzklausel« bei der Prüfung von Computer- und Videospielen hinzuziehen. Somit wird es künftig möglich, dass in Deutschland verbotene NS-Symbole auch in Computerspielen gezeigt werden dürfen, sofern dies in wissenschaftlichem oder künstlerischem Interesse geschieht. Anders als bei Filmen mussten solche Elemente bisher aus Games entfernt werden. Dabei wurde nicht unterschieden, ob es sich um rechtsextreme Schundsoftware handelte - wie etwa den unsäglichen »KZ-Manager« -, oder ob ein Spieler gegen die Nazis antrat.

Das erste Spiel, auf das die Neuregelung angewendet wurde, ist das Strategiespiel »Through the Darkest of Times«, das von der kleinen, unabhängigen Spielefirma »Paintbucket Games« entwickelt wird. Darin spielt man den Anführer einer Widerstandsgruppe in Nazideutschland, der - unter steigendem Druck durch die Gestapo - das Regime zu unterwandern versucht. In einem Interview mit dem »Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele« unterstreichen die Entwickler Jörg Friedrich und Johannes Kristmann ihre aufklärerische Intention: Ein ernsthaftes Computerspiel über diese Zeit müsse auch die Verbrechen thematisieren und hierzu gehörten selbstverständlich auch Judenverfolgung und Holocaust.

Unterdessen sind zahlreiche Stimmen laut geworden, die diese Entscheidung der USK verdammen. So verkündete die rechtspolitische Sprecherin der CDU-Bundestagsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, dass sie das »Genre Computerspiel« nicht dafür geeignet halte, sich angemessen mit dem historischen Unrecht des NS-Regimes und dem Leiden der Opfer auseinanderzusetzen. Auch Familienministerin Franziska Giffey (SPD) meldete sich prompt zu Wort und bereicherte die Debatte um den Satz, dass man mit Hakenkreuzen nun mal nicht spiele.

Diese Art von Kritik zeigt vor allem, dass Computerspiele hierzulande noch immer in die Schmuddelecke gestellt werden. Dabei sind die Games aus der populären Kultur nicht mehr wegzudenken. Nun kann man »Pop« auf zweierlei Weisen verstehen. Brian Moriarty, Professor am Worcester Polytechnic Institute, klassifizierte das Genre jüngst als kulturindustrielle Totalverblödungsmaschine und nannte das Spielerlebnis als »Zaumzeug der neuen Arbeiterklasse«: Computerspiele dienten nicht wie erhabene Kunstwerke der Kontemplation, sondern verkleideten Arbeit als Unterhaltung, indem sie den Spielenden immer wieder Entscheidungen abverlangten. Die andere Lesart ist, dass man dem Pop zugesteht, ein von Kräften und Gegenkräften umkämpfter Ort zu sein, an dem auch Rebellion und politischer Widerstand zum Ausdruck kommen können. Pop ist, so schrieb vor einiger Zeit so schön der Kulturtheoretiker Georg Seeßlen im Popkulturmagazin »Spex«, eben »durchlässig, offen, saugfähig wie ein Schwamm.«

Lässt man sich auf letzteres Argument ein und erkennt in Games mehr als nur einen Baustein eines allgemeinen Verblendungszusammenhangs, dann ist die Entscheidung der USK erfreulich, solchen Spielen zumindest im Grundsatz auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zuzutrauen. Jahrzehntelang wurde das Feld der Computer- und Videospiele sich selbst überlassen, man verteufelte oder ignorierte das Genre. Dabei wären vor allem Bildungseinrichtungen in der Pflicht gewesen, einen mündigen Umgang mit digitalen Unterhaltungsprodukten zu vermitteln. Gerade infolge einer zu lange vorherrschenden Geringschätzung der Games als Trivialkultur wird das Feld heute in der Tat stark von skrupellosen Geschäftemachern beherrscht.

Aus diesem Grund ist es wenig verwunderlich, dass es auf dem Markt von Spielen mit fragwürdigen Inhalten heute nur so wimmelt; zwischen diesen wirklich schlechten Spielen und der weitverbreiteten Geringschätzung des ganzen Genres besteht ein Zusammenhang, den man als »Schundspirale« bezeichnen könnte. Zu den Resultaten derselben gehört etwa eine lange Reihe von Spielen, deren Entwickler Kooperationen mit militärischen Institutionen eingegangen sind, um ihren Produkten einen werbeträchtigen »Realismus« zu verleihen. Erzählerisch kommen viele dieser kriegsverherrlichenden Titel indessen kaum über das Niveau von Landserheftchen hinaus. Auch sexistische und anderweitig stereotypisierende Darstellungen sind heute in vielen Spielen ganz normal. Das korrespondiert mit einer in relevanten Teilen maskulin geprägten Fankultur, die in der Vergangenheit immer wieder mit Frauenfeindlichkeit und Hass auf Homosexuelle in Erscheinung getreten ist.

Dass Computerspiele als wichtiger Bestandteil der Popkultur mittlerweile zu einem heiß umkämpften Terrain geworden sind, auf dem durchaus um politische Fragen in der Größenordnung »Zukunft der Demokratie« gerungen wird, zeigte dieses Jahr das Beispiel des Ego-Shooters »Farcry 5«. Als der Titel, in dem sich die Spielenden gegen eine militante christlich-fundamentalistische Sekte zur Wehr setzen müssen, im März 2018 erschien, liefen die Trolle und Ideologen der radikalen amerikanischen Rechten Sturm. man entblödete sich nicht einmal, ernsthaft von einem »Genozid an den Weißen« zu schwadronieren, der in dem Spiel propagiert werde. Ganz ähnlich erging es dem neusten Ableger der »Wolfenstein«-Saga. In »The New Colossus« haben die Nazis den Zweiten Weltkrieg gewonnen und halten unter Mithilfe des rassistischen Ku-Klux-Klans die USA besetzt. Als jüdisch-polnischer Einzelkämpfer B.J. Blazkowicz bekämpft der Spieler die Faschisten im Alleingang.

Dieses Spiel wurde vor allem für seine differenzierte Betrachtung des Nationalsozialismus und seine zugleich klare antifaschistische Haltung gelobt - und sorgte genau deswegen abermals für Schaumbildung vor den Mündern der Rechten. Die Spielefirma »Bethedsa«, die den Titel verantwortet, kümmerte dieses ritualisierte Theater jedoch wenig, das Unternehmen bewarb den Titel unbeeindruckt mit dem Slogan »Make America Nazi-Free Again« und unter dem Hashtag »NoMoreNazis«. In der deutschen Version von »Wolfenstein II: The New Colossus« hingegen wurde, wohl mit Blick auf die bisherige Haltung der USK, jeder Hinweis auf den historischen Nazismus entfernt. Dabei hätte etwas politischer Kontext der Attitüde so einiger Spieler gewiss nicht geschadet.

Die Vorschauversion von »Through the Darkest of Times«, jüngst auf der Kölner Spielemesse »Gamescom« vorgestellt, wurde aufgrund seiner kritischen Auseinandersetzung mit dem NS-Faschismus ab 12 Jahren freigegeben. Ob der Titel auch wirklich halten kann, was er verspricht, lässt sich heute noch nicht sagen. In Anbetracht der Tatsache, dass weniger als die Hälfte der Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren wissen, worum es sich bei Auschwitz-Birkenau gehandelt hat, wie eine Umfrage der Körber-Stiftung kürzlich offenbarte, ist jedoch dringend darüber nachzudenken, wie die Erinnerung an den millionenfachen Mord am Leben gehalten werden kann.

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