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Backe, backe Zukunft

Das Ausbildungsjahr beginnt - Fynn Hänel will Bäcker werden

  • Julia Boving
  • Lesedauer: 4 Min.

Es riecht nach Frühstück. Der wohlige Geruch nach Kaffee und frischem Brot breitet sich beim Betreten der Bäckerei in der Nase aus. Die Sinne erwachen. Für einen kurzen Moment muss man in sich gehen und gut zuhören, auf was der Magen an diesem Morgen so Appetit hat. Die Auswahl ist vielseitig und liegt zum Verzehr in der Auslage bereit. Brötchen, Brote, Kuchen und Gebäck - Produkte schweißtreibender, leidenschaftlicher und vor allem nächtlicher Arbeit. Um neun Uhr morgens, wenn andere sich ihren Proviant auf dem Weg zur Arbeit in der Backstube abholen, endet für die Bäcker der Arbeitstag.

Fynn Hänel, 17 Jahre alt, geboren und aufgewachsen in Steglitz-Zehlendorf, Rettungsschwimmer, Absolvent der Wilma-Rudolph-Schule und gelegentlicher Nachtschwärmer, beginnt am Montag seine Ausbildung zum Bäcker beim Familienbetrieb Johann Mayer in Schöneberg.

Ausgerüstet mit weißem T-Shirt und weißer Schürze holt er zwei frisch gebackene Berliner Landbrote aus dem Ofen hervor. Die weiße Kappe, die aus hygienischen Gründen immer mit von der Partie sein muss, sitzt noch leicht schief auf den blonden Locken. »Dein Kopf ist einfach zu groß«, scherzt Ausbilder Karsten Berning und rückt sie grade.

Bereits nach einem dreistündigen Schnupperpraktikum stand für den eher naturwissenschaftlich interessierten Schulabgänger fest, dass er Bäcker werden will. Weder der Beruf des Tischlers noch die Idee, Medizin zu studieren und in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, reizten Hänel so sehr wie die Aussicht, die Nächte in der Backstube verbringen zu können. Er wolle etwas anderes machen als die Anderen. Dazu komme, dass er ein Nachtmensch sei. »Ich beobachte gerne den Mond und die Sterne. Außerdem kann man von der Backstube aus morgens die Sonne aufgehen sehen«, erzählt Fynn und grinst etwas verlegen. Auch Bäckermeister Berning schwärmt davon, wie Berlin früh am Morgen eine andere Stadt sei.

In seiner Freizeit backt Fynn gerne Möhrenbrot oder Rosinenzöpfe zusammen mit seinem Vater. Produktivität und Kreativität, sich ausprobieren können, selber Rezepte kreieren und im Team arbeiten, sind Gründe, warum er sich für die Ausbildung als Bäcker entschieden hat. »Ich weiß, dass es viel Verantwortung ist, immerhin arbeiten wir mit Lebensmitteln«, erklärt Hänel. Aber er sei bereits durch sein ehrenamtliches Engagement als Rettungsschwimmer daran gewöhnt, Verantwortung zu übernehmen. Für Karsten Berning waren das Engagement und die Selbstständigkeit, die Fynn mitbringt, ein gutes Argument, ihn als Auszubildenden einzustellen. Nach mehr als zehn Bewerbungen an Bäckereien in ganz Berlin hat Hänel auch Zusagen von zwei Bäckereiketten erhalten. Doch diese »Sonnenstudios für Brötchen«, die mehr Wert auf Quantität und niedrige Preise legen würden als auf Handwerk und Qualität, sagt Hänel, konnten nicht mit der familiären, freundlichen Atmosphäre im Familienbetrieb Johann Mayer mithalten.

Karsten Berning ist Vertreter der vierten Generation in der Traditionsbäckerei und legte 2002 die Prüfung zum Bäckermeister ab. Als Engagierter in der Bäckerinnung und der Handwerkskammer Berlin hat er sich in den letzten Jahren auch vermehrt mit dem Fachkräftemangel beschäftig. »Es ist wichtig, jungen Menschen das Handwerk als Alternative zu Abitur und Studium wieder näher zu bringen«, erklärt er. Und: »Es muss der Druck aus der Zukunft genommen werden.« Zwar sei es immer noch eine große Herausforderung, junge Fachkräfte anzuwerben, doch sehe Berning die Zukunft des Bäckerhandwerks mittlerweile positiver.

Er begrüßt es, dass Fynn sich nicht hat mitreißen lassen von der »Akademikerschwemme« und zunächst der Praxis den Vorzug vor der Theorie gab. Auch seine Mutter hat studiert und arbeitet heute als Lehrerin. Er kann sich zwar durchaus vorstellen, nach der Ausbildung noch zu studieren, aber genauso gut würde er gerne als Bäcker im Ausland oder auf einem Kreuzfahrtschiff arbeiten. Bei dem jungen Auszubildenden ist also noch alles offen. »Mit einem Meister im Handwerk kann man auch ohne Abitur studieren«, fügt er hinzu. Diese Aussicht nähme ihm Angst vor der Zukunft.

Der Fachkräftemangel bleibt auch 2018 das entscheidende Thema zum Ausbildungsbeginn. Laut Angaben der Industrie- und Handelskammer waren bis Ende August von 15 553 Lehrstellen in Berliner Betrieben noch 5500 Plätze unbesetzt. Die Lehrstellenlücke sei in den letzten fünf Jahren jedoch kontinuierlich abgebaut worden.

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