Bürgerenergie in der Nische

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 3 Min.

Bürgerinitiativen und Energiegenossenschaften mischen mehr und mehr auch bei Nahwärme und Elektromobilität mit. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie der Uni Kassel sind von den bundesweit mehr als 900 Energiegenossenschaften aber nach wie vor die große Mehrzahl, etwa 80 Prozent, im Stromgeschäft aktiv.

Vor allem zwischen 2012 und 2015 legte die Branche enorm zu. »Energiegenossenschaften boomen« übertitelte die Uni ihre Mitteilung. Allerdings setzte sich der Trend nicht fort. »Energiegenossenschaften stabilisieren sich auf hohem Niveau« wäre die korrekte Wertung gewesen, räumt Mitautorin Beate Fischer ein. Immerhin sei eine befürchtete Auflösungswelle bisher ausgeblieben, betont die Wissenschaftlerin. Sie findet es zudem erfreulich, dass die Energiegenossenschaften an Reichweite gewannen. Die Zahl der organisierten Mitglieder steige weiter.

Gesamtwirtschaftlich gesehen stellen Energiegenossenschaften nicht mehr als eine Nischenerscheinung dar. »Sie erreichen an der Bilanzsumme der etwa 2000 energiewirtschaftlichen Unternehmen in Deutschland einen Anteil von 0,65 Prozent«, sagt Fischer. Das sehen viele Bürger anders. Das Bild, dass sich engagierte Menschen zusammenfinden, die lokal etwas für die Energiewende tun, Solardächer oder ein Windrad errichten und mit dem Erlös etwas für Umweltbildung und für den Ort, in dem sie leben, bewirken - das stimmt überwiegend dennoch für die Wissenschaftlerin.

So teilten sich 2015 bei etwa zwei Dritteln der Energiegenossenschaften einzelne Bürger die Anteile - es handelt sich also um Bürgergesellschaften im besten Sinne. Bei rund 16 Prozent der Genossenschaften setzt sich die Eigentümergemeinschaft aus verschiedenen Akteuren wie Bürgern, Kommunen und Finanzinstituten zusammen. Von einer Bank geführte Energiegenossenschaften hatten laut der Studie nur einen Anteil von sechs Prozent.

Die Mitgliederzahl ist meist überschaubar. So zählten 84 Prozent der Genossenschaften weniger als 250 Mitglieder. Der Trend geht hier aber, wie die Studie feststellt, weg von sehr kleinen Genossenschaften mit weniger als 100 Mitgliedern hin zu kleinen und mittelgroßen.

»In der Mehrzahl werden Energiegenossenschaften von engagierten Bürgern gegründet«, sagt Fischer. Dass zunehmend Stadtwerke, Banken, Kommunen und Unternehmen Genossenschaften initiieren und die Bürger dann »einbeziehen«, findet die Wissenschaftlerin sinnvoll, weil die Geschäftsmodelle bei den Erneuerbaren anspruchsvoller werden. »Ich begrüße es, wenn regionale Versorger sich um die Einbindung von Bürgern vor Ort bemühen.«

Insgesamt stellt Fischer eine Zweiteilung fest. »Eine beachtliche Zahl von Energiegenossenschaften hat einen ungebrochenen Gestaltungs- und Veränderungswillen«, konstatiert sie. Projekte mit Carsharing und E-Mobilität nähmen zu, es werde an Mieterstrom-Modellen getüftelt und viele bemühten sich, Menschen für Ökostrom zu begeistern. Aber viele, vor allem ehrenamtlich geführte Genossenschaften könnten mit der zunehmenden Komplexität der Geschäftsmodelle »nicht Schritt halten«. Diese verwalten laut Fischer nur noch ihren Anlagenpool.

Die Kasseler Wissenschaftlerin sieht die Schuld daran weniger bei den Genossenschaften als dabei, dass ein geeigneter gesetzlicher Rahmen fehlt. »Wenn eine lokale Vermarktung von Energie mit Steuern und Abgaben belegt wird, dann wird diese Eigenaktivität von Bürgern deutlich erschwert.«

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