Und Greenpeace bleibt skeptisch

Frankreichs neuer Minister will Umwelt und Wirtschaft versöhnen / Nach Rückzug Hulots Debatte um Lobbyisten

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 5 Min.

Als Nachfolger für Frankreichs Ex-Umweltminister Nicolas Hulot, der vor wenigen Tagen aus Protest gegen die inkonsequente Umweltpolitik von Präsiden Emmanuel Macron demonstrativ zurückgetreten ist, wurde am Dienstag der bisherige Präsident der Nationalversammlung François de Rugy ernannt.

Er gilt als politisches Schwergewicht. Bei der Vorwahl der Sozialisten für den Präsidentenwahl 2017 war er als Vertreter der Ökologischen Partei angetreten, hatte sich aber nicht durchsetzen können. Später verbündete er sich mit Macron. De Rugy ist seit Beginn der Legislaturperiode im Sommer 2017 Präsident der Nationalversammlung, dem Unterhaus des französischen Parlaments. Die Umweltorganisation Greenpeace France zeigte sich skeptisch und äußerte die Erwartung, dass De Rugy die von Macron formulierten Ziele der Umweltoolitik auch umsetzen werde.

De Rugy erklärte bei der Amtsübergabe, dass er »konstruktiv« amtieren und »gleichermaßen den Belangen der Umwelt wie der Wirtschaft gerecht werden« wolle. Damit dürfte er besser in diese Regierung passen als der engagierte Umweltschützer Hulot. Der hatte seinen Rücktritt nicht zuletzt mit dem wachsenden Einfluss der Lobbys unter Macron begründet.

Als bei einem Treffen von Macron mit den Verbänden der Jäger auch deren langjähriger Lobbyist Thierry Coste teilnahm, obwohl er gar nicht eingeladen war, war dies der letzte Anlass für Hulot, den Hut zu nehmen. Es ist es offenes Geheimnis, dass die Lobbyisten selbst kaum fassen können, was für günstige Arbeitsmöglichkeiten sie seit der Wahl von Macron vorfinden - weit besser als bei jedem anderen Präsidenten zuvor. Dazu sagte Hulot: »Für mich ist dieser Zwischenfall symptomatisch für die Präsenz der Lobbys in den Zirkeln der Macht. Es ist höchste Zeit, dieses Thema offenzulegen, denn das ist ein Problem der Demokratie: wer hat die Macht, wer regiert?«

Macron kennt Thierry Coste, der der seit 24 Jahren in der Jäger-Branche tätig ist schon eng mit den Präsidenten Nicolas Sarkozy und François Hollande zusammengearbeitet hat, persönlich sehr gut. Der Lobbyist hat ihn im Wahlkampf beraten und den Kontakt zum Verband der Jäger und dem der Schusswaffenbesitzer gehalten. Dahinter steckte das Kalkül, dass es 1,1 Millionen Jäger und fast zwei Millionen Waffenbesitzer gibt, die mit ihren Familien rund zwei Millionen Wähler repräsentieren.

Seit Macron als Präsident im Elysée regiert, konnte Coste ihn schon überzeugen, die Staatsjagd im Wald um das ehemalige Königsschloss Chambord im Loiretal, die Sarkozy als »veraltet« abgeschafft hatte, wieder aufleben zu lassen. Macron geht zwar selbst nicht auf die Jagd, aber er weiß, dass man mit einer solchen Einladung in- und ausländische Politiker und Wirtschaftskapitäne für sich einnehmen kann. Außerdem konnte Coste bei Macron erreichen, die von Tier- und Naturschützern vehement bekämpfte Fuchsjagd, bei der das Wild mit Meuten von Hunden gehetzt wird, weiterhin zu dulden. Das erwähnte Treffen mit den Jägern hatte zum Ergebnis, dass die Gebühr der jährlichen Jagderlaubnis von 400 auf 200 Euro gesenkt wird und dass einige Tierarten geschossen werden dürfen, die der Ex-Umweltminister Hulot unter Artenschutz stellen wollte.

Thierry Coste ist ein besonders erfahrener und erfolgreicher Lobbyist, aber er hat viele Kollegen. Seit das französische Gesetz vorschreibt, dass sich Lobbyisten registrieren lassen müssen, sind offiziell 1611 von ihnen mitsamt ihrer Auftraggeber aufgelistet. Das reicht von Bauernverbänden über Zigarettenkonzerne bis zu religiösen Sekten. Sie liefern beispielsweise Abgeordneten Textentwürfe oder Abänderungsanträge für Gesetze fix und fertig ausformuliert zu, und diese übernehmen sie nur zu oft, ohne etwas daran zu ändern. So kommt es vor, dass Anträge von bis zu 50 verschiedenen Abgeordneten eingebracht werden, die bis zum letzten Komma und sogar mit den Tippfehlern völlig identisch sind. »Die Abgeordneten haben doch meist gar nicht die Zeit und vor allem oft auch nicht die Fachkompetenz, um das selbst zu machen, und sind dankbar für unsere Hilfe«, meint der Lobbyist Coste stolz.

So werden die Grenzen zwischen Wirtschaft und Politik immer poröser. Heute sind unter den 198 Beratern des Präsidenten oder der verschiedenen Minister 43 ehemalige Lobbyisten. Umgekehrt wirbt die Wirtschaft bei jedem Regierungswechsel ehemalige Spitzenkader der Regierung ab und stellt sie als hochbezahlte Lobby-Vertreter an, um sich so deren Kontakte und Erfahrungen an den Hebeln der Macht zunutze zu machen.

Die Debatte um den Einfluss von Lobbyisten wurde nun durch den Rücktritt Hulots nun noch einmal angeheizt. Emmanuel Macron dürfte dies nicht gerade gelegen kommen: Laut einer Umfrage sind nur noch 31 Prozent der Franzosen mit dem Handeln des Staatschefs zufrieden.

Die Neubesetzung des Umweltministeramtes war zudem nicht die einzige Änderung im Kabinett: Die ebenfalls beliebte Sportministerin Laura Flessel hatte am Dienstag ihren Rückzug erklärt, für die Öffentlichkeit ebenso überraschend wie in der Woche zuvor Hulots Abgang. Die 46-Jährige führte in einer Erklärung »persönliche Gründe« an, ging dabei aber nicht ins Detail. Die aus dem französischen Überseegebiet Guadeloupe stammende Ex-Weltklasse-Fechterin sprach von »16 mitreißenden Monaten an der Spitze des Sportministeriums«. Ihre Nachfolgerin wird die aus Rumänien stammende Ex-Schwimmsportlerin Roxana Maracineanu. Als politisch angeschlagen gilt überdies die Kulturministerin Françoise Nyssen. Sie wehrt sich seit Wochen gegen Medienenthüllungen, denen zufolge der von ihr früher geführte Verlag Umbauten ohne Genehmigung durchgeführt hatte.

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