Erster Spatenstich für Woba 2.0

Dresden baut zwölf Jahre nach Verkauf von Wohnungsgesellschaft wieder Sozialwohnungen

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass der Neubau in der Ulmenstraße in Dresden ein Gebäude von historischer Bedeutung wird, sieht man ihm nicht an. Ein Computerbild des Mietshauses, für das am Mittwoch der erste Spatenstich erfolgt, zeigt einen vierstöckigen grauen Kubus, der außer Balkonen genau an der Hausecke keine besonderen architektonischen Merkmale aufweist. Und doch dürfte das Haus mit 22 Mietswohnungen in die Stadtgeschichte eingehen: als das Stein gewordene Eingeständnis eines Fehlers. Zwölf Jahre nach dem Verkauf der stadteigenen Wohnungsgesellschaft Woba beginnt ihr Nachfolger, die im September 2017 gegründete »Wohnen in Dresden GmbH & Co. KG« (WiD), die Bautätigkeit.

Bis zum Verkauf der Woba an einen amerikanischen Finanzinvestor besaß die Stadt Dresden 35 000 kommunale Wohnungen - und hatte hohe Schulden. Eine Ratsmehrheit aus CDU, FDP und Teilen der PDS entschloss sich, die Wohnungen zu verkaufen; dank der 1,7 Milliarden Euro wurde Dresden schuldenfrei. Es dauerte freilich nicht lange, bis die Schattenseiten des Verkaufs offenkundig wurden. Sachsens Landeshauptstadt wächst stark; neue Wohnungen werden zwar gebaut, aber nur im oberen Preissegment. Menschen mit niedrigen Einkommen finden kaum noch bezahlbare Quartiere, der Anteil von Wohnungen für bis zu 4,50 Euro pro Quadratmeter sank seit 2010 von 21 auf elf Prozent. Die Stadt konnte nicht gegensteuern. Der Verkauf, hieß es in einem Parteitagsbeschluss der Dresdner Grünen vom Oktober 2017, sei »der größte wohnungspolitische Fehler des letzten Jahrzehnts« gewesen.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die seit 2014 bestehende Ratsmehrheit aus LINKE, Grünen und SPD bereits umgesteuert. Im September 2017 hatte der Stadtrat mit rot-grün-roter Mehrheit die Gründung einer Woba 2.0 beschlossen, auch wenn sie aus rechtlichen Gründen nicht so heißen sollte. In einer Fortschreibung rot-grün-roten Kooperationsvertrages von 2016 wurde das Vorhaben als oberstes in der Liste gemeinsamer Pläne genannt. Man wolle »zur Sicherung bezahlbaren Wohnens« 2500 städtische Wohnungen neu errichten - und zwar, wie es hieß, »bis zum Jahr 2019«.

So schnell ging es dann nicht. Die Gründung der neuen Gesellschaft erwies sich als knifflig. Zudem habe der einstige Finanzbürgermeister von der CDU auf der Bremse gestanden, sagt LINKE-Fraktionschef André Schollbach. Auch das Förderprogramm des Landes zum sozialen Wohnungsbau, das man in Dresden anzapft, sei »sehr kompliziert« angelegt. Der Neubau an der Ulmenstraße ist nun aber der erste aus einem Paket von 800 Wohnungen, für das die Finanzierung geklärt ist. Die Kosten sollen 109 Millionen Euro betragen, von denen 32 Millionen vom Land kommen. Weitere 1700 Wohnungen sollen gebaut werden, wenn klar ist, dass es auch nach Ende des jetzigen Programms im Jahr 2021 Fördergeld vom Land gibt.

In der Verwaltung hofft man, dass im laufenden Jahr noch drei bis sechs weitere Neubauten in Angriff genommen werden können. Das Haus in der Ulmenstraße soll als erstes im Herbst 2019 fertig sein und damit ein halbes Jahr nach der Kommunalwahl im Mai, bei der sich Rot-Grün-Rot zur Wiederwahl stellt - nicht zuletzt unter Verweis auf die neue Woba. Diese sei eines der »langfristig wichtigsten Reformvorhaben der Kooperation«, sagt Stadtrat Johannes Lichdi (Grüne). Die SPD schrieb in einer Publikation zur Woba-Gründung von einer »Zäsur«; Schollbach sieht darin eine »ganz wesentliche Weichenstellung«.

Die Einschätzung gilt, auch wenn allen Beteiligten klar ist, dass ein paar neue Sozialwohnungen wie in der Ulmenstraße nicht unmittelbar zur Entspannung auf dem Dresdner Wohnungsmarkt führen werden. Wolle die öffentliche Hand dämpfend auf Mieten einwirken, »braucht es Tausende Wohnungen«, sagt Schollbach. Sie zu bauen, werde »ein Jahrzehnt« dauern. Der Anfang indes erfolgt bei dem eher unspektakulären Spatenstich am Mittwoch in einer stillen Straße im Dresdner Süden. »Nun sieht man«, sagt Schollbach, »dass sich die Kräne endlich drehen.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal