Münchner von Bundespolizei festgehalten

Gegen Kerem Schamberger liegt Fahndungsnotiz vor

  • Lesedauer: 2 Min.

Kerem Schamberger, Doktorand an der Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU), linker Aktivist und Autor, wurde am Dienstagabend mehrere Stunden lang auf der Dienststelle der Bundespolizei Freilassing (Bayern) festgehalten und von der österreichischen Polizei befragt. Die konkreten Gründe dafür wurden ihm seinen Aussagen zufolge nicht genannt. Schamberger wurde zunächst im Zug kontrolliert, danach folgte ein dreistündiger Aufenthalt auf der Polizeiwache. Die Polizei gab an, Schamberger sei durch das Zufallsprinzip in eine Stichprobe geraten. Auf Nachfrage des »nd« bei der Dienstelle stellte sich heraus, dass gegen Schamberger eine Fahndungsnotierung vorliegt. Eine solche Notierung wird von der Staatsanwaltschaft zum Zweck der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung veranlasst und als Handlungsanweisung an die Polizei weitergeleitet. Laut den Beamten vor Ort mache dies eine eingehende Ausreisebefragung notwendig. Aus welchen Gründen und von welcher Stelle die Fahndungsnotierung ausgeschrieben wurde, ist bisher unbekannt.

Schamberger war auf dem Weg nach Wien, wo er an der Mitgliederversammlung des an die Europäische Linke gebundenen Think Tanks transform europe teilnimmt. Außerdem will er sein neu erschienenes Buch »Die Kurden« vorstellen. Bei der polizeilichen Befragung stand dieses Buch im Mittelpunkt. Die Beamten wollten wissen, warum es geschrieben wurde, wer der Ko-Autor Michael Meyen sei, ob der Professor an der LMU auch Aktivist sei und warum sie dieses Thema gewählt haben. Welches Ziel diese Befragung verfolgte, kann Schamberger nicht sagen. Er berichtet außerdem, die Polizisten hätten seine Reise nach Palästina sowie eine Spendensammlung angesprochen.

Da in dieser Woche der EU-Gipfel in Salzburg stattfindet, hat die österreichische Regierung das Schengen-Abkommen ausgesetzt und lässt Grenzkontrollen durchführen, wohl auch aus Sorge vor den Protesten, die gegen das Gipfeltreffen am Mittwoch und Donnerstag geplant waren. Schamberger zufolge wurde er aus der Kontrolle mit dem Kommentar entlassen: »Halten Sie die Finger ruhig.« Auf Nachfrage von »nd« bei der Dienststelle Freilassing, was damit konkret gemeint sei, wurde erklärt, es handele sich dabei eventuell um eine besondere Redewendung des österreichischen Dialekts.

Schamberger ist seit Monaten immer wieder Repressionen, insbesondere der bayrischen Behörden, ausgesetzt. Grund dafür ist seine tägliche Berichterstattung über Ereignisse in der Türkei und Kurdistan, so wie sein politischer Aktivismus. 2016 hatte der Verfassungsschutz versucht, Schambergers Anritt als Doktorand an der LMU zu verhindern. svh

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