Nach Demo gegen Erdogan: Erneut Deutscher in der Türkei inhaftiert

Früherer Leiter der Alevitischen Gemeinde Hamburg bei Einreise festgenommen - diese hatte zu Demonstrationen gegen Erdogan aufgerufen

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Hamburg. In der Türkei ist laut einem Medienbericht erneut ein deutscher Staatsbürger inhaftiert worden. Nach Informationen von NDR, WDR und »Süddeutscher Zeitung« wurde der ehemalige Vorsitzende der Alevitischen Gemeinde Hamburg, Nurali Demir, am Freitagmittag bei seiner Einreise auf dem Istanbuler Flughafen in Gewahrsam genommen. Die Alevitische Gemeinde Hamburg forderte in einer Erklärung »die sofortige Freilassung« Demirs.

Der Rechercheverbund berief sich auf Angaben von Demirs Tochter. Sie war demnach mit ihrem Vater am Morgen in die Türkei gereist, um an einer Familienfeier teilzunehmen. Dem 51-jährigen Demir werde »Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation« vorgeworfen, sagte die Tochter Reportern von NDR, WDR und »SZ«. Er sei in das Istanbuler Polizeipräsidium Bakirköy gebracht worden und werde dort verhört. Das Auswärtige Amt machte zunächst keine Angaben zu dem Fall.

Die Alevitische Gemeinde Hamburg erklärte, angesichts des bevorstehenden Deutschland-Besuchs des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sei »diese Ingewahrsamnahme ein Schlag ins Gesicht der Demokratie und Meinungsfreiheit«. Der Verein forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, »die Menschenrechte in der Türkei mehr in den Fokus ihrer Politik« zu nehmen »anstatt die wirtschaftlichen Belange«. Die Bundesregierung müsse »sofort tätig« werden und die Freilassung Demirs fordern.

Die Alevitische Gemeinde Hamburg gilt laut dem Bericht von NDR, WDR und »SZ« als entschiedener Gegner Erdogans und hatte in der Vergangenheit immer wieder zu Demonstrationen gegen ihn aufgerufen.

Unterdessen kommt der am 11. September in Ankara verhaftete Österreicher und linke Autor Max Zirngast in Untersuchungshaft. Seinem Anwalt zufolge wurden er und die beiden mit ihm Verhafteten am Donnerstag einem Haftrichter vorgeführt. Dieser entschied, dass die drei aus dem Polizeigewahrsam in Untersuchungshaft überführt werden sollen. In der Türkei können Menschen bis zu sieben Jahren in Untersuchungshaft verbleiben, wenn ihnen Unterstützung von Terrororganisationen, Spionage oder eine Beteiligung an dem Putschversuch vom Juli 2016 vorgeworfen wird.

Die Festnahmen und Inhaftierungen Deutscher in der Türkei belasten seit Jahren das deutsch-türkische Verhältnis. Der prominenteste Fall ist der des Journalisten Deniz Yücel, der im Februar nach einem Jahr in türkischer Untersuchungshaft freigelassen worden war.

Yücel hatte am Dienstag scharfe Kritik am für Ende kommender Woche geplanten Deutschland-Besuch Erdogans geübt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfange damit einen »Verbrecher, der sich neben vielem anderen des Menschenraubs schuldig gemacht hat«, sagte Yücel in Potsdam, wo er einen Medienpreis erhielt. AFP/nd

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