Täuschung auf Kosten des Klimas

Bundesregierung übertreibt laut LINKE seit Jahren bei Energiewendekosten

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 4 Min.

Man stelle sich vor, ein Autokonzern würde gezwungen, seine Fahrzeuge innerhalb von drei Jahren um mehr ein Drittel billiger zu verkaufen - diese Idee würde sicher als wirtschaftsfeindlich gebrandmarkt werden. Mit so einem Preisverfall mussten allerdings Ökostromer, die nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert wurden, beim Bau neuer Anlagen zurechtkommen. Erhielten neu in Betrieb gehende EEG-Anlagen 2011 im Schnitt noch etwas mehr als 20 Cent je Kilowattstunde, so sank diese Vergütung bis 2014 auf unter 12 Cent. Das gibt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion an.

Zwar stieg 2015 die durchschnittliche EEG-Vergütung noch einmal auf über 14 Cent an - allerdings nur aus dem Ausnahmegrund, weil in diesem Jahr viele Offshore-Windkraftanlagen eine spezielle Vergütungsvariante - das sogenannte Stauchungsmodell - wählten. Bei diesem erhalten sie in den ersten Jahren den Strom mit 19 Cent je Kilowattstunde vergütet, dafür endet der Förderzeitraum dann eher als mit den sonst geltenden 20 Jahren.

2016 hatten sich die Vergütungen mit 11,6 Cent schon wieder auf das Niveau von 2014 eingepegelt. Hauptsächlich betroffen davon war die Photovoltaik. Bei dieser ging - bezogen auf neue Freiflächenanlagen - die Vergütung von rund 43 Cent im Jahr 2005 auf unter fünf Cent im Jahr 2017 zurück. Dagegen bewegte sich die Windkraft im selben Zeitraum recht stabil zwischen acht und zehn Cent je Kilowattstunde und »unterbot« erst in diesem Jahr dauerhaft die Grenze von acht Cent. In den kommenden Jahren sorgt das Ausschreibungsmodell dafür, dass der Kostendruck hoch bleibt. So müssen Windkraftprojekte an Land, die 2017 und 2018 den Zuschlag erhielten und ab 2020 in Betrieb gehen sollen, mit einer Förderung von fünf bis sechs Cent leben.

Für Lorenz Gösta Beutin von der Linksfraktion im Bundestag grenzt es angesichts der Zahlen an »mutwillige Täuschung, dass die Bundesregierung die Kosten der Energiewende seit Jahren übertreibt, ganz gleich, ob durch den damaligen Wirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel, oder den heutigen Wirtschaftsminister Peter Altmaier«. Mit einer »bewusst falschen Darstellung der Energiewendekosten« habe die Große Koalition das Ende der festen Ökostromförderung und den Übergang zu den Ausschreibungen begründet.

Trotz des drastischen Rückgangs der Förderung für neue EEG-Anlagen werden Energiewendegegner vom Schlage der AfD allerdings vorerst weiter auf den angeblich unbezahlbaren Kosten herumreiten können. Nach Auskunft der Bundesregierung prognostizieren die Netzbetreiber die sogenannten Differenzkosten des EEG für 2018 auf rund 25,6 Milliarden Euro. 2017 hatten diese bei 24,5 Milliarden Euro gelegen.

Mit Differenzkosten ist der Betrag gemeint, der von den Stromkunden als EEG-Umlage noch zu bezahlen ist, nachdem die EEG-Anlagen ihren Strom zwangsweise an der Strombörse verkauft haben. Seit April dieses Jahres ist der Strompreis an den Börsen übrigens um gut ein Drittel gestiegen - von vier auf fast sechs Cent pro Kilowattstunde. Er nähert sich also dem 2018 geltenden EEG-Satz von 6,8 Cent an. Ob sich das im Laufe des Jahres in sinkenden EEG-Zahlungen auswirkt, muss man abwarten. Beim Stromkunden würden Einsparungen sowieso erst 2019 ankommen, wenn die EEG-Umlage möglicherweise sinkt.

Demgegenüber scheinen die Möglichkeiten des Ausschreibungsmodells, den Preisdruck auszureizen, erschöpft. Laut der Auskunft der Bundesregierung ist zwischen Januar 2017 und Juli 2018 nur ein Zubau von etwas mehr als 2300 Megawatt bei Wind an Land genehmigt worden. Das liegt deutlich unter der ursprünglich geplanten Menge, die per Ausschreibung vergeben werden sollte. Für 2019 rechnet die Regierung bei Wind an Land nur noch mit einem Zubau von 1500 bis 2000 Megawatt.

Wie zugleich die laut Koalitionsvertrag zusätzlich geplanten Ausschreibungen bei Windenergie von 2500 Megawatt für 2019 und 2020 realisiert werden, steht noch in den Sternen. Bezüglich dieser Sonderausschreibungen verkündete die Bundesregierung in ihrer Antwort an die LINKE nichts Neues. Derzeit erarbeite das Wirtschaftsministerium Optionen für die Umsetzung der Sonderausschreibungen, heißt es nur.

Eine gute Nachricht hält die Antwort noch bereit: Über den Ausbau der Erneuerbaren hinaus sehe man kurzfristig keinen Bedarf an neuer konventioneller Stromerzeugung, »da die europäischen Strommärkte weiterhin von deutlichen Überkapazitäten geprägt sind«.

Zumindest neue fossile Kraftwerke bleiben dem Lande also vorerst erspart bleiben.

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