Anschlag auf Militärparade in Iran

Mindestens 30 Todesopfer / Teheran macht vom Westen unterstützte arabische Separatisten verantwortlich

  • Oliver Eberhardt, Erbil
  • Lesedauer: 3 Min.

Immer wieder zeigten die iranischen Fernsehsender am Wochenende Bilder, die unmittelbar nach dem Anschlag aufgenommen wurden; die Nachrichten, die dazu verbreitet wurden, entsprachen den Verlautbarungen von Polizei und Regierung, unterbrochen von sorgsam geschnittenen Interviews, in denen resolut drein blickende Männer und Frauen den Kampfeswillen des iranischen Volkes beschwören.

Die iranische Öffentlichkeit indes stand in den Stunden nach dem Anschlag unter Schock, denn ziemlich schnell verbreiteten sich Handyvideos, auf denen zu sehen ist, was sich tatsächlich zugetragen hat: Die vier Täter trugen Uniformen des iranischen Militärs, mit allen Abzeichen; zehn Minuten lang rannten sie schießend durch die Zuschauermenge, die in der Millionenstadt Ahwas im Südwesten des Landes, zusammen gekommen waren, um einer Militärparade zum 30. Jahrestag des Beginns des irakisch-iranischen Krieges beizuwohnen. Mindestens 30 Getötete wurden bis zum Nachmittag gezählt. Was mit den Attentätern passiert ist, ist derweil unklar: Ali Hossein Hoseinzadeh, Vizegouverneur der Südwestprovinz Chusistan, erklärte, zwei der vier Attentäter seien festgenommen worden. Die iranische Regierung teilte indes mit, alle vier seien erschossen worden.

Es ist das zweite Mal innerhalb von nur eineinhalb Jahren, dass einer der Hauptpfeiler des iranischen Staats angegriffen wurde: Im Juni 2017 stürmten Attentäter nahezu zeitgleich durch das iranische Parlament und das Mausoleum von Ajatollah Ruhollah Chomeini; nun wurde das Militär zum Ziel. Anschläge werden in Iran immer wieder verübt, doch meist beschränken sie sich auf die Provinzen an der Grenze zu Afghanistan und Pakistan sowie die kurdischen Landesteile im Nordwesten. Zuletzt waren dort Anfang des Monats sechs Revolutionsgardisten bei einem Angriff auf einen Grenzposten getötet worden. Dennoch rühmen sich Vertreter der iranischen Regierung und Sicherheitsdienste immer wieder der im Vergleich zu den meisten Nachbarländern guten Sicherheitslage, rechtfertigen auch die rabiaten Methoden von Polizei und Geheimdiensten damit.

Über Identität und Herkunft der Attentäter ist offiziell nichts bekannt. Kurz nach dem Anschlag bekannte sich die Terrororganisation »Islamischer Staat«. Doch nahezu zeitgleich beanspruchte auch der »Nationale Widerstand von Ahwas« die Urheberschaft für sich. Dabei handelt es sich um eine Gruppe, die für die Unabhängigkeit der überwiegend von Arabern bewohnten Provinz Chusistan eintritt, aber bislang selten in Erscheinung getreten ist. Keine der beiden Gruppen untermauerte ihre Angaben mit Belegen.

Der iranische Außenminister Javad Zarif machte derweil »Terroristen, die von ausländischen Regierung bezahlt wurden« verantwortlich, während Präsident Hassan Ruhani eine »harte Reaktion« ankündigte. Kurz darauf bestellte das iranische Außenministerium die Botschafter Dänemarks und der Niederlande sowie den britischen Geschäftsträger ein; der Vorwurf: Die drei Länder hätten Mitgliedern der Gruppe, die für den Anschlag in Ahwas verantwortlich gemacht wird, Zuflucht gewährt.

Schon seit Monaten wirft die iranische Führung der US-Regierung, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten vor, sie versuchten das Land durch die Unterstützung von bewaffneten Oppositionsgruppen zu destabilisieren: Vor allem der nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, John Bolton, spricht oft von einem erhofften Regime-Wechsel in Teheran, trifft sich regelmäßig mit Vertretern von Exilgruppen; im Magazin »National Review« forderte Bolton explizit eine verstärkte Unterstützung der »Chusistan-Araber«. Der saudische Kronprinz Mohammad bin Salman hatte in einem Interview erklärt, man werde »den Kampf nach Iran tragen.«

Was sich tatsächlich zugetragen hat, scheint für die iranischen Behörden nun zweitrangig zu sein: Schon seit Monaten gehen sie gegen die von Bolton genannten Gruppen vor; am Sonntag wurden die Razzien auch auf Bürgerrechtler ausgeweitet.

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