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Applaus für die Union von rechts

Bundestag debattierte in einer Aktuellen Stunde über die Ausschreitungen in Chemnitz und die Causa Maaßen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Im rechten Spektrum des Bundestags war man sich am Donnerstagnachmittag mehr als einmal einig. »Es ist gut, dass uns Hans-Georg Maaßen erhalten bleibt«, sagte Stephan Mayer, der Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium ist. Daraufhin applaudierten dem CSU-Politiker sowohl Abgeordnete der Union als auch Parlamentarier der AfD. Letztere hatten die Aktuelle Stunde zu den Vorkommnissen in Chemnitz und zur Causa Maaßen verlangt.

Der bisherige Verfassungsschutzpräsident Maaßen, der künftig als Sonderbeauftragter im Innenministerium tätig sein wird, hat sowohl in der Union als auch in der AfD viele Fans. »Maaßen hatte früh vor den Folgen der Masseneinwanderung gewarnt«, behauptete der AfD-Politiker Gottfried Curio. Auch die Verharmlosung der rassistischen Hetzjagden in Chemnitz durch Maaßen war ganz nach dem Geschmack der AfD.

Erfreut war die rechte Partei auch darüber, dass Politiker der Union nicht nur über die Ausschreitungen in Chemnitz reden wollten, sondern in diesem Zusammenhang auch über vermeintlichen Linksextremismus. Obwohl es gar nicht als Thema der Aktuellen Stunde vorgesehen war, kam der CDU-Politiker Mathias Middelberg recht schnell auf die Proteste gegen die Rodung im Hambacher Forst für den Energiekonzern RWE zu sprechen. Middelberg warf den Protestierenden Gewalttaten vor. »Das sind Extremisten, die wir bekämpfen müssen«, verkündete der Konservative. Zwischen »Links- und Rechtsextremen« konnte er keinen großen Unterschied erkennen.

In der SPD sind viele Abgeordnete derweil noch immer wütend, dass die Union Maaßen nicht vollständig fallen gelassen, sondern ihm trotz vieler Verfehlungen einen anderen Job zugeschanzt hat. Dem hatte die SPD zugestimmt, nachdem wenigstens die geplante Beförderung von Maaßen wieder vom Tisch war. Der SPD-Abgeordnete Uli Grötsch kritisierte, dass die Vorkommnisse in Chemnitz noch von keinem Gremium des Bundestags diskutiert wurden. Er warf anderen Fraktionen und Abgeordneten vor, sich damit abzufinden, dass der Rechtsextremismus zur Normalität werde.

Grötsch äußerte die Hoffnung, dass der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Maaßen im Inlandsgeheimdienst einen »Geist etabliert, der dem rechten Zeitgeist spürbar entgegenwirkt«. Es müsse wieder Vertrauen in den Verfassungsschutz hergestellt werden, forderte der Sozialdemokrat. Aus seiner Sicht müsse die AfD künftig durch das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet werden.

Dieser Forderung widersprach der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte. Dass die AfD rechtsextrem sei, könne man jede Woche bei den Sitzungen des Parlaments mitbekommen. Dafür brauche man nicht den Verfassungsschutz. Außerdem stellt der LINKE-Politiker in Frage, dass die Behörde mit Maaßen an der Spitze überhaupt die Verfassung verteidigt habe. Dies würden vielmehr Menschen tun, die sich real gegen Rechtsradikalismus wehren. »Es gibt nicht nur eine Gefahr von rechts, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft«, erklärte Korte. Er kritisierte das Vokabular, das inzwischen beispielsweise von Bundesinnenminister Horst Seehofer verwendet werde. Der CSU-Chef hatte sich etwa kürzlich darüber gefreut, dass an seinem 69. Geburtstag 69 Flüchtlinge nach Afghanistan abgeschoben wurden.

Als eine Ursache für den Rechtsruck sah Korte die Angst der Mittelschichten vor dem Abrutschen. »Im neoliberalen Zeitalter heißt es, dass sich die Menschen um sich selbst kümmern müssen«, monierte er. Stattdessen müsse es eine neue Ära der Solidarität geben.

Die Grünen-Parlamentarierin Monika Lazar verband den anstehenden Wechsel an der Spitze des Verfassungsschutzes nicht mit großen Hoffnungen. Sie verlangte vielmehr eine echte Zäsur und einen Neuanfang für den Inlandsgeheimdienst.

Für die FDP durfte sich Vizechef Wolfgang Kubicki zu Wort melden. Dieser hatte vor wenigen Wochen noch im AfD-Stil behauptet, dass die Wurzeln für die Ausschreitungen in Chemnitz im »Wir-schaffen-das« von Kanzlerin Angela Merkel liegen. Die CDU-Vorsitzende hatte den Satz im August 2015 gebraucht, als Hunderttausenden Flüchtlinge nach Deutschland kamen.

Am Donnerstag gab sich Kubicki als Mahner. In Chemnitz habe es Bilder gegeben, »die wir nicht mehr sehen wollen«, verkündete der FDP-Mann. Mit Blick in Richtung der AfD-Abgeordneten erinnerte Kubicki daran, dass die Partei zu einem Trauermarsch in Chemnitz aufgerufen hatte, nachdem ein 35-Jähriger in der sächsischen Stadt erstochen wurde. »Bei dem Marsch ging es nicht um das Opfer, sondern um die mutmaßlichen Täter ausländischer Herkunft«, erklärte Kubicki. Er erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. Damals hatten die Nazis das tödliche Attentat, das Herschel Grynszpan, der polnischer Herkunft und jüdischen Glaubens war, in Paris auf den deutschen Diplomaten Ernst Eduard vom Rath verübt hatte, zum Vorwand genommen, um Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung zu verüben.

Kubicki wollte der AfD zwar nicht die Schuld für die rechten Ausschreitungen in Chemnitz geben. Er betonte aber, dass die Partei eine besondere Verantwortung habe.

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