Alte, Kranke und Kinder leiden am meisten

Der Deutsche Lungentag fordert auf 200 Veranstaltungen bundesweit saubere Luft jetzt und für alle

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.

Im gesellschaftlichen Konflikt um die Zukunft der Mobilität fährt das Auto noch nicht wirklich auf der Verliererstraße. Technologisch in Bezug auf den Verbrennungsmotor schon, aber in jeder anderen Hinsicht nicht. Der am heutigen 29. September veranstaltete Deutsche Lungentag verweist in diesem Jahr auf das Thema Luftverschmutzung, die vor allem in den Innenstädten und hier durch Verkehrsemissionen zum Problem wird. In den Mittelpunkt von etwa 200 Veranstaltungen von Fachgesellschaften und Patientenorganisationen werden jene Gruppen gestellt, die unter schlechter Luft am meisten zu leiden haben: Alte, Kranke und Kinder.

Aus Sicht der Lungenärzte hat Luftverschmutzung einen großen Anteil an den aktuell am meisten verbreiteten Erkrankungen der Atmungsorgane. Das Bronchialkarzinom ist die dritthäufigste Krebsart und die vierthäufigste Todesursache. Hinzu kommen Krankheiten, die das Lungengewebe angreifen und die Lebensqualität extrem beeinträchtigen können: die Chronisch-Obstruktive Lungenkrankheit (COPD) und Asthma. Davon betroffen sind nach den Worten des Pneumologen Marek Lommatzsch bis zu 20 Prozent der Bevölkerung. Lommatzsch ist am Universitätsklinikum Rostock tätig und auch Sprecher des Deutschen Lungentages, der 1996 ins Leben gerufen wurde.

Während bei anderen Schadstoffen, wie denen aus der Tabakverbrennung, Menschen ausweichen und sich bewusst gegen eine Aufnahme entscheiden können, sei das bei den Emissionen der Fahrzeuge häufig nicht der Fall, erst recht nicht, wenn an den am stärksten belasteten Straßen die Ärmsten wohnten, erklärt der Lungenspezialist. 300 000 Menschen leben in Deutschland an entsprechenden Hauptstraßen. »Nicht jeder kann in eine Villa im Grünen ausweichen«, erklärt auch Christian Witt, der an der Berliner Charité Lungenkranke betreut. Die Kommunen unternähmen bislang noch zu wenig, um die Situation in den Städten zu verbessern. Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in einigen Großstädten mussten von Dritten auf dem Rechtsweg erstritten werden. Sehr zögerlich ist auch die Bundesregierung in genau dieser Frage. Erst am gestrigen Freitag wollte sie eine gemeinsame Position zu den Fahrverboten beraten und auch klären, wer denn nun mögliche Nachrüstungen an den Fahrzeugen finanzieren solle.

Für diejenigen, die viele Jahre hohen Feinstaub- und Stickoxidemissionen ausgesetzt sind, steigt die Sterblichkeit deutlich, die Gründe dafür finden sich nicht nur in häufigeren Lungenkrankheiten, sondern auch in Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die wissenschaftlichen Belege dafür seien gesichert, erklärt Lommatzsch. Deshalb setzen sich die Organisatoren des Lungentages auch dafür ein, die EU-Grenzwerte weiter abzusenken, denn diese lägen noch einmal weit über den Schwellenwerten, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als bedenklich eingestuft werden.

Dass Kinder und Jugendliche das Problem der Luftverschmutzung durch den Autoverkehr schon wahrnehmen, zeigt ein Mal- und Zeichenwettbewerb der Akademie der Künste, der Charité und des Lungentages. Dafür hatten zum Beispiel Schüler aus dem Berliner Bezirk Kreuzberg an einer viel befahrenen Straße 15 Minuten lang die Autos gezählt - es waren 484, und in den meisten saßen nur ein bis zwei Personen. Der Schirmherr des Wettbewerbs, der Künstler Klaus Staeck, zeigt sich von dieser Aktion besonders beeindruckt. Der 80-Jährige ist zugleich persönlich betroffen: »Ich bin in Bitterfeld aufgewachsen und hatte mit zehn Jahren meine erste Lungenentzündung, habe eine chronische Bronchitis bis heute.« 1971 hatte Staeck sein erstes Plakat zu einem Umweltthema entworfen. »Seitdem hat sich leider nicht viel geändert«, kritisiert er. »Nach dem Fußball ist das Auto der Deutschen liebstes Kind, es berührt ihr Innerstes.« Unter den Wettbewerbsbeiträgen aus 17 beteiligten Schulen ist es auf den meisten Bildern zu finden.

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