Emanzipatorische Positionen hörbar machen

Teresa Hofmann vom Aschaffenburger Alibri-Verlag über die Situation linker Verlage

  • Lesedauer: 4 Min.

Crowdfunding ist »in«. Musiker und Filmemacher finanzieren auf diese Weise ihre Projekte, Start-up-Unternehmen erobern sich derart eine Nische auf dem Markt. Im Verlagsgeschäft scheint mir dies noch eine Ausnahme. Ist es Ihr erster Anlauf? Oder hat Alibri da schon Erfahrungen gesammelt?

Die Kampagne ist tatsächlich unser erster Anlauf, uns so zu finanzieren. Sie soll aber auch gleichzeitig ein Stimmungsbarometer dafür sein, wie unser neues Programm 2018/19 bei den Kunden und Freunden des Verlags ankommt. Wir haben bis jetzt eine sehr positive Resonanz bekommen und haben uns sehr darüber gefreut, dass schon innerhalb der ersten Woche die Hälfte des Fundingziels erreicht war. Deshalb können wir uns vorstellen, in Zukunft auch einzelne Projekte auf diese Weise teilzufinanzieren. Die Verlagsbranche ist in Sachen Crowdfunding noch recht zurückhaltend, doch es gab auf der Plattform Startnext schon erfolgreiche Kampagnen einiger Verlagskollegen und -kolleginnen. Ich finde es aber vor allem für Nischenverlage eine tolle Möglichkeit, ihre Fans und Kunden direkt zu erreichen und ihnen ein gewisses »Mitspracherecht« zu geben. Schließlich geht es zwar um das Produkt »Buch«, aber meist auch um eine ideelle Grundhaltung.

Warum sollte man Ihren Verlag unterstützen? Was haben Sie als überzeugende Argumente vorzubringen?

Der Buchmarkt wird gerade schwieriger, er ist ja keine Insel, auf der der Kapitalismus ausgeschaltet wäre. Vielfältige Konzentrationsprozesse treffen auch unsere Branche. Trotzdem wollen wir als unabhängiger Verlag weiterhin all die kritischen Stimmen hörbar machen, die mit ihren Texten die Utopie einer freien Gesellschaft verteidigen und den autoritären Gestalten die Stirn bieten. Die Kritik kann viele Formen annehmen, und dann entstehen zum Beispiel satirische Bilderbücher, Romane oder wissenschaftliche Sachbücher. Gerade wird es wieder salonfähig, auf Alarmismus, Populismus und Irrationalismus als politische Ausdrucksmittel zu setzen, und dem stellen wir uns entschieden entgegen. Es gibt viele tolle Autoren und Autorinnen, die für Selbstbestimmungsrechte, Emanzipation, Aufklärung und Wissenschaft eintreten und sich für eine säkulare solidarische und rationale Weltanschauung starkmachen. Um diese Texte auch weiterhin verbreiten zu können und neue, spannende Wege dafür zu finden, brauchen wir als kleiner Verlag Menschen, die uns unter die Arme greifen und so zu Komplizen und Komplizinnen werden. Wenn gesellschaftliche Freiheiten verloren gehen, liegt das selten in erster Linie an den Feinden der Freiheit, sondern oft genug am fehlenden Engagement ihrer Befürworter. Uns zu unterstützen, ist dann ein kleiner Beitrag, emanzipatorische Positionen hörbar werden zu lassen.

Was haben die Sponsoren davon? Gibt es eventuell eine Sachgegenleistung? Oder nur ein Schulterklopfen und Dankeschön?

Es gibt beides: Zum einen kann man einen freien Betrag spenden, für diesen gibt es unsere Dankbarkeit und das Gefühl, eine gute Sache unterstützt zu haben. Zum anderen haben wir uns viele schöne »Dankeschöns« ausgedacht, nämlich ein Aufkleber-Set für kleines Geld, signierte Ausgaben unserer Herbsttitel, Überraschungsfanpakete mit bestimmten Autoren wie Michael Schmidt-Salomon, aber auch zum Beispiel eine Lesung mit einer unserer Kinderbuchautorinnen oder einen Besuch im Verlag. Im Laufe der Kampagne kommen auch noch weitere »Dankeschöns« dazu, es lohnt sich also, die Augen offen zu halten.

Wie würden Sie generell die Situation linker Verlage respektive die Lage der Linken in Deutschland beurteilen?

Naja, wie soll ich es denn finden, wenn eine Partei wie die AfD stabil bei über zehn Prozent der Stimmen liegt? Da muss ja wohl etwas schiefgelaufen sein. Wir haben es nie für eine besonders gute Idee gehalten, dass beachtliche Teile der Linken sich in den letzten Jahren mehr mit Identität als mit Kritik und Emanzipation beschäftigt haben. Und manche der linksakademischen Diskurse finden in einer Sprache statt, die dafür sorgt, dass die Argumente den Elfenbeinturm nie verlassen werden. Wir rechnen zwar jetzt nicht damit, dass sich die Novemberrevolution nächsten Monat wiederholt. Trotzdem denken wir, dass es noch genug Potenzial für eine skeptische Linke gibt, die es schafft, den identitären Kräften, egal ob aus der rassistischen oder der religiösen Rechten, eine Utopie entgegenzusetzen.

Und was die linken Verlage anbelangt: Bislang waren es hauptsächlich ökonomische oder rechtliche Entwicklungen, die linken Verlagen das Arbeiten erschwert haben. Jetzt sieht es danach aus, dass sich das politische Koordinatensystem erst mal nach rechts verschiebt. Das kann Probleme bringen, wenn es um den Zugang zu öffentlichen Mitteln oder öffentlich-rechtlichen Medien geht. Andererseits muss die Linke dem Rechtsruck etwas entgegensetzen und eine eigene Utopie jenseits der Identitätspolitik entwickeln. Und da wären die linken Verlage eine der Plattformen, wo diese Debatte stattfinden kann.

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