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Weiß-blaue Erfolge mit Schattenseiten

Bayern steht in den bundesdeutschen Wirtschaftsstatistiken meist ganz vorn - doch es gibt Probleme in der Fläche

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Es gibt nach wie vor ein steiles industrielles Nord-Süd-Gefälle in Deutschland. Mit teils überraschenden Ergebnissen: So sind in Bayern durch Computer und Roboter mehr als 26 Prozent der Arbeitsplätze bedroht, in Schleswig-Holstein lediglich 22 Prozent und in Mecklenburg-Vorpommern sogar nur 19 Prozent. Die Unterschiede sind vor allem eine Folge der Wirtschaftsstrukturen, wie es in einer kürzlich vorgestellten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg heißt. Je größer die Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes, desto mehr Beschäftigungsverhältnisse gibt es, die von Computern und Robotern übernommen werden könnten.

Gerade in Bayern ist das verarbeitende Gewerbe mit einer Million Beschäftigten eine Macht. Namen wie Siemens und BMW stehen dafür, der Maschinenbauer MAN oder die Rüstungssparte von Airbus. »Nur wenige Länder verfügen über eine ähnlich breite industrielle Basis«, schreibt die Norddeutsche Landesbank in einer Analyse. Und 2017 kam rund ein Drittel aller bundesweit angemeldeten Patente aus Bayern.

Das war nicht immer so. Als Ende April 1945 die 7. US-Armee in München einmarschierte, war Bayern ein Agrarland. Mehr als 500 000 Landwirte, überwiegend Kleinbauern, prägten den Freistaat mit seinen sieben Millionen Einwohnern. Die kleinräumigen Agrarstrukturen folgten der Landschaft. Gleichzeitig fehlte es an Schwerindustrie.

Beides sollte sich bald als ein glücklicher Umstand erweisen. Die kleinbäuerliche Struktur bildete die Basis für den Tourismus, bis heute eine wichtige Einnahmequelle. Das Fehlen von Stahl und Kohle ermöglichte einen Neustart ohne industrielle Monostrukturen wie im Ruhrgebiet. Und die Besatzungsmacht USA verzichtete - anders als Franzosen und Sowjets - auf größere Demontagen. Die lange Alleinherrschaft der CSU, die empfängliche Amigo-Kultur des »ewigen« Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß sowie eine klare industriepolitische Linie beflügelten die nachholende Modernisierung und Internationalisierung des Bauernlandes. Meilensteine waren der Bau einer Ölpipeline von Triest zum neuen Raffineriezentrum Ingolstadt, der Großflughafen München oder der Rhein-Main-Donau-Kanal. Bei der Errichtung von Atomkraftwerken übernahm Bayern schon in den 1950er Jahren eine Vorreiterrolle.

Freilich erwuchs der Aufstieg nicht allein aus eigener Kraft. Altbayern, Franken und Schwaben profitierten letztlich von zwei Millionen Flüchtlingen, die großenteils aus dem industrialisierten Sudetengebiet kamen, und später von »Gastarbeitern« aus dem ebenfalls nahen Italien. Auch halfen die anderen Bundesländer. Jahrzehntelang empfing Bayern Milliarden-D-Mark-Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich. Erst seit 1990 ist Bayern regelmäßiges Nettozahlerland, seit wenigen Jahren mit größeren Beträgen.

Und so ist es keine Überraschung, dass viele ökonomische Kennziffern in jüngerer Zeit eine weiß-blaue Erfolgsstory zeichnen. Von 2010 bis 2017 wuchs das Bruttoinlandsprodukt Bayerns um mehr als 18 Prozent (bundesweit knapp 15 Prozent). Mit 46 000 Euro liegt die Wirtschaftsleistung je Einwohner inzwischen rund 16 Prozent über dem deutschen Durchschnitt. Aus privaten und öffentlichen Investitionen floss zuletzt »so viel wie nirgendwo sonst in Deutschland«, hat das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln errechnet. Damit sind gute Voraussetzungen gegeben, dass die bayerische Wirtschaft weiter auf Wachstumskurs fährt.

In Vielem spiegelt Bayern aber auch die triste bundesdeutsche Wirklichkeit wider. Hartz-IV-Aufstocker stehen Multimilliardären wie den Quandts (BMW) oder der Bankiersfamilie von Finck gegenüber. Die Kluft zwischen boomenden Regionen und abgehängten Kreisen im flächenmäßig größten Bundesland ist gewaltig. Und während im sozialdemokratisch dominierten München eine Immobilienblase immer weiter wächst, bedrohen Leerstände im Bayrischen Wald oder am Alpenrand den Zusammenhalt im Freistaat.

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