Warnung vor dem Maschinensturm

Beschäftigte des Saarbrücker Werkes der Neuen Halberg Guss wollen Schließung durch Eigentümer verhindern

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Im monatelangen Tauziehen um die Zukunft des Autozulieferers Neue Halberg Guss (NHG) spitzt sich die Lage immer mehr zu. Gewerkschafter bemängeln fehlende Kompromissbereitschaft der bosnischen Prevent-Gruppe, die die Firma erst zu Jahresbeginn übernommen hatte. Setzt das NHG-Management gar auf eine Strategie der verbrannten Erde, wies Kritiker behaupten?

»Die Maschinen im Saarbrücker Stammwerk sind noch da, es ist noch nichts abtransportiert«, erfuhr »nd« am Montag von einem Insider. Hier machten Mitte vergangener Woche Gerüchte und Hinweise die Runde, die darauf hindeuteten, dass Prevent bereits verkaufte Maschinen zügig abbauen und dann das Werk schließen wolle. Dies löste eine spontane Protestkundgebung aus. Dem Vernehmen nach ist die Belegschaft weiter wachsam und entschlossen, Demontage und Abtransport von Maschinen und Anlagen durch persönlichen Einsatz zu verhindern. »Die Belegschaft ist genervt und frustriert über das destruktive Verhalten des Eigentümers. Aber sie wird sich gegen eine mutwillige Zerschlagung ihrer Arbeitsplätze zu wehren wissen, wenn es sein muss«, so der Insider.

Gewerkschafter attestieren der Prevent-Gruppe, die sich auf den Erwerb von deutschen Automobilzuliefererbetrieben spezialisiert hat, ein »Heuschreckengebaren« nach dem Motto: »Unternehmen aufkaufen, Geld rauspressen und Betriebe auf dem Rücken der Beschäftigten schließen«. Das Schicksal anderer Belegschaften vor Augen, waren die überwiegend in der IG Metall organisierten NHG-Beschäftigten in den beiden Werken Saarbrücken und Leipzig im Juni in einen unbefristeten Streik für einen Sozialtarifvertrag zur Abfederung der Folgen möglicher Arbeitsplatzverluste sowie zur Einrichtung einer Qualifizierungsgesellschaft und eines Treuhandfonds getreten.

Die Gewerkschaft hatte den Streik nach über sechs Wochen Dauer Ende Juli ausgesetzt und ihre Hoffnungen auf ein Schlichtungsverfahren unter Vorsitz des ehemaligen Mannheimer Arbeitsrichters Lothar Jordan gelenkt. Dieses haben allerdings die Vertreter der NHG-Geschäftsleitung im September einseitig platzen lassen. Das sei »unverantwortlich« und blockiere eine tragfähige Zukunft für die 2200 Beschäftigten an den Standorten Leipzig und Saarbrücken, kritisiert Bernd Kruppa, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig. Nach seinen Angaben droht durch Lieferausfälle von Unternehmen der Energie- und Schrottversorgung an beiden Standorten der komplette Produktionsstopp. »Seit Wochen liegt ein unterschriftsreifes Angebot eines Investors vor«, so Kruppa, der Eigentümer und das Management von NHG aufforderte, »im Sinne der Belegschaft und im Sinne einer Perspektive für das Unternehmen« zu reagieren, »anstatt den mutwilligen Verlust der Arbeitsplätze voranzutreiben«. Aus seiner Sicht stehe der andauernde Konflikt um NHG »für perverse Auswüchse des kapitalistischen Wirtschaftssystems«. Er forderte Politik und Wirtschaft auf, solches Geschäftsgebaren zu unterbinden.

Nach Angaben des saarländischen Wirtschaftsstaatssekretärs Jürgen Barke (SPD) steht als Kaufinteressent das Finanzberatungsunternehmen One Square Advisors aus Frankfurt am Main bereit. Dieses sei zur Fortführung des Betriebes an beiden Stadtorten bereit, sagte Barke im Saarländischen Rundfunk. Die Geschäftsleitung des Unternehmens wollte sich am Montag auf nd-Anfrage hierzu nicht äußern. Barke kündigte zudem eine Finanzspritze des Landes im Umfang von bis zu 40 Millionen Euro zur Rettung des NHG-Standortes an. Man werde im Gegenzug aber ein Mitspracherecht einfordern, so der SPD-Mann.

Einen Schritt weiter geht der Linksfraktionschef im Saarbrücker Landtag, Oskar Lafontaine: »Wenn es nicht ausreicht, um solche Schweinereien zu verhindern, dann sollte die Landesregierung dieses üble Spiel durchbrechen und die rechtlichen Möglichkeiten ausnutzen, um die Arbeitsplätze zu schützen und den Eigentümern eine Grenze aufzuzeigen«, erklärte er dieser Tage bei einer Veranstaltung mit den Beschäftigten des Saarbrücker Werks und ihren Angehörigen. Die Linksfraktion hat für die Plenarsitzung des Landtags an diesem Mittwoch einen Gesetzentwurf zur Enteignung von Halberg Guss eingebracht. Der Antrag beruft sich auf das Grundgesetz und die Landesverfassung, in denen die Möglichkeit von Enteignungen per Gesetz im Interesse des Gemeinwohls festgehalten ist. »Angemessen ist jede Entschädigung, die ihrer Art und Höhe nach die Belange der einzelnen Beteiligten sowie die Forderungen des Gemeinwohls berücksichtigt«, heißt es in der Saar-Verfassung.

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