In Israel stehen die Zeichen auf Neuwahl

Im Streit um das Vorgehen in Gaza drängt nun auch die nationalreligiöse Partei »Jüdisches Heim« auf Neuwahlen in Israel

  • Jörg Wimalasena, Haifa
  • Lesedauer: 3 Min.

Es wird eng für die israelische Regierung. Nachdem am Mittwoch schon Verteidigungsminister Avigdor Liebermann seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte, drängt nun auch die nationalreligiöse Regierungspartei »Jüdisches Heim« von Bildungsminister Naftali Bennett auf Neuwahlen. Ohne die Parlamentssitze der beiden Rechtsaußenparteien hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (Likud) keine Mehrheit in der Knesset. Regierungsmitglieder anderer Parteien halten einen verfrühten Urnengang ebenfalls für unausweichlich.

Ein Krisentreffen am Freitag zwischen Netanjahu und Bennett sollte den Bruch eigentlich verhindern. »Jüdisches Heim« forderte, dass Bennett Liebermann als Verteidigungsminister beerbt – sonst drohe die Aufkündigung der Koalition. Netanjahu lehnte das Gesuch laut mehreren israelischen Medien allerdings ab. Die Zeichen stehen deshalb auf Neuwahl.

Ursache des Regierungszwists ist der Umgang mit den Raketenangriffen aus dem Gazastreifen. Liebermann begründete seinen Rücktritt am Mittwoch mit dem seiner Meinung nach zu nachgiebigen Vorgehen gegen die radikalislamische Hamas und den Islamischen Dschihad. Nach einer misslungen israelischen Militäraktion in dem weitgehend abgeriegelten palästinensischen Küstengebiet am Sonntag hatten die Terrororganisationen Hunderte Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert – Israel antwortete mit Luftangriffen.

Dann handelte Netanjahu einen Waffenstillstand aus. Liebermann, der als Befürworter eines deutlich aggressiveren Vorgehens gegen die Hamas gilt, gab daraufhin seinen Rücktritt bekannt. Danach verfügte der israelische Regierungschef zwar immer noch über eine knappe Mehrheit im Parlament, doch die ist mit dem Affront gegen Bennett, der ebenfalls als Hardliner in Sachen Gaza gilt, nun stark gefährdet.

Netanjahu wollte sich am Freitag dennoch nicht auf Neuwahlen festlegen. Entsprechende Gerüchte seien »nicht korrekt.« Die Tageszeitung Haaretz berichtete, der Premier wolle die Koalition noch mindestens sechs Wochen erhalten. Israelische Medien sind sich dennoch einig – alles steuert auf Neuwahlen im Frühjahr zu.

Die könnten schwierig für Benjamin Netanjahu werden. Die zuverlässigsten Wähler seiner Likud-Partei wohnen in Ashkelon und Sderot, beides Städte in der Nähe des Gazastreifens, die vom Raketenfeuer aus der Küstenenklave besonders betroffen sind. Ihrem Ärger über Netanjahu machten Hunderte Bürger der gefährdeten Region bei einer Demonstration in Tel Aviv am Donnerstag Luft.

Laut einer aktuellen Umfrage sind 75 Prozent der Israelis unzufrieden mit dem Vorgehen der Regierung in Gaza. Netanjahu versuchte zwar am Freitag, mit einem Hilfsfonds von 135 Millionen Dollar in den betroffenen Regionen den Schaden zu begrenzen. Dennoch könnten dort Wähler zu Liebermann und Bennett wechseln.

Beide können sich nun als starke Politiker inszenieren, die im Gegensatz zum vermeintlich »weichen« Vorgehen Netanjahus die Hamas stärker bekämpfen. Dabei ergibt Netanjahus Vorgehen aus der Perspektive eines israelischen Ministerpräsidenten durchaus Sinn. Eine massive Bodenoffensive gegen Gaza würde nicht nur auf palästinensischer, sondern auch auf israelischer Seite zahlreiche Leben kosten. Eine dauerhafte Besetzung dürfte noch verlustreicher werden. Netanjahu dürfte darauf spekulieren, dass sich die Lage in Gaza wieder beruhigt und das Thema im möglicherweise anstehenden Wahlkampf keine Rolle mehr spielt.

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