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Quer durch den Geheimdienstgarten

Show oder maximale Transparenz - das parlamentarische Kontrollgremium lud zur öffentlichen Anhörung ein

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Nun wissen wir es: Die Chefs der drei deutschen Geheimdienste tragen laut jüngsten Medienberichten keine Schlapphüte«, sie sind »ganz normale Behördenprofis«. Armin Schuster (CDU), Chef des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), kann zufrieden sein, wenn es das war, was er der Öffentlichkeit zur »Entmystifizierung« der Nachrichtendienste mitteilen wollte. Sieht man von ein paar atmosphärischen Nuancen ab, kam nicht viel mehr rüber bei der öffentlichen Anhörung von Bruno Kahl (Bundesnachrichtendienst), Thomas Haldenwang (Bundesamt für Verfassungsschutz) und Christof Gramm (Militärischer Abschirmdienst).

Die Veranstaltungsreihe, deren erster Akt im vergangenen Jahr zu erleben war, ist eine Show - so gut man sie auch inszenieren mag. Die Mitglieder des PKGr - acht Männer und eine Frau - fragen, wie Konstantin von Notz (Grüne) sagt, »quer durch den Garten« und »kennen dabei längst alle Antworten«, ergänzte André Hahn von den LINKEN. Die Kenntnisse der zum Stillschweigen verdonnerten Abgeordneten sind, so ist zu hoffen, weitaus umfangreicher als jene, die man der Öffentlichkeit vorspielt. So ist das eben, wenn Geheimhaltungsgebot und Transparenzverlangen zwangsverheiratet werden sollen - das so gezeugte Kind wird von niemandem wirklich gemocht.

Immerhin, der erste öffentliche Auftritt von Thomas Haldenwang als Nachfolger des geschassten Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen erzeugte etwas Spannung. »Vertrauensvoll und eng« habe er mit Maaßen zusammengearbeitet und es gab dabei ein »hohes Maß« an Übereinstimmung. Logisch, dass der »Neue« einen beachtlichen Berg an Skepsis abräumen muss. Doch das erledigte der 58-Jährige bei der Anhörung ganz ordentlich, gerade so, als sei der Rausschmiss des autoritären Rechtsauslegers Maaßen auch für Haldenwang eine Art Befreiung.

»Ich werde andere Akzente setzen«, sagte er und widmete sich ausführlich dem Thema Rechtsextremismus und -terrorismus. Die Szene werde immer heterogener. In Chemnitz hätten sich neue Kooperationen zwischen Rechtsextremen, Hooligans, Rockern und anderen fremdenfeindlichen Kräften sowie deren hohes Mobilisierungsvermögen gezeigt. Daher werde er jetzt im Amt »Ressourcen verschieben«, um bei diesen »Themenfeld genauer hinzuschauen«. Bislang ist die dafür zuständige Abteilung 2 mit 200 Mitarbeitern nur halb so groß wie jene, die sich um die Abwehr islamistischer Gefahren kümmert. Um dieses Ungleichgewicht zu mindern, wolle er das vom Parlament bewilligte zusätzliche Personal verstärkt »gegen rechts« einsetzen.

Mehr als jeder zweite der vom BfV erkannten 24.000 Rechtsextremisten sei gewaltbereit. Haldenwang listete beispielhaft einige Terrorgruppierungen auf: Oldschool Society, Gruppe Freital, Freie Kameradschaft Dresden. Der BfV-Chef will auch mehr Überwachungskapazitäten für soziale Medien, denn: Sie sind »Brandbeschleuniger für physische Gewalt«.

Und wie ist das mit der AfD? Ex-BfV-Chef Maaßen halte nichts von einer Beobachtung der Rechtspopulisten. Das verstand man in einigen Bundesländern nicht. Und so beschloss man im Verfassungsschutzverbund, die jeweiligen Materialsammlungen an das BfV zu schicken. Die der »interessierten Landesämter« liegen nun vor. Spätestens Anfang 2019 wolle man sich entscheiden, ob der Inlandsgeheimdienst die AfD insgesamt in den Blick nehmen soll. Und wenn ja, wie. Hierzu am Rande: Falls die AfD mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden sollte, würde der AfD Abgeordnete Roman Reusch als Mitglied des PKGr kontrollieren, wie solide das geschieht.

Ein anderes interessantes Thema der Anhörung war das der Cyberangriffe und wie man ihnen begegnet. Für Haldenwang sei - im Gegensatz zu Maaßen - das sogenannte Hack-Back, also der Gegenangriff auf fremde Server in welcher Form auch immer, »nachrangig«, betonte er. Nicht ganz so zurückhaltend nahm BND-Chef Kahl das Thema Cyberattacken auf, der betonte, dass die Angst der Bevölkerung derzeit so hoch sei wie seit den Attentaten von 9/11 nicht mehr. Doch ehe man sich zu tief in das völkerrechtlich relevante Thema treiben ließ, einigten sich die Geheimdienstler mit den PKGr-Befragern, dass diese Frage politisch, also zuerst einmal von der Bundesregierung zu entscheiden sei.

Dass man auch ohne Schlapphut locker durch den Regen kommt, demonstrierte der MAD-Chef Gramm bei der Anhörung. Zwar ist zum mutmaßlichen Rechtextremisten und Ex-Oberleutnant Franco A. noch längst nicht alles gesagt - noch ist es nur eine Behauptung, dass es in der Truppe keine rechtsextremen Netzwerke gebe. Auch der mutmaßliche Geheimnisverrat eines MAD-Oberstleutnants birgt Skandalpotential, doch das alles warte zunächst auf die Bewertung der Justiz.

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