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Lebenskraft und Leidenschaft

Der »Wessi« Rainer Bauer hat eine Hommage auf zwei DDR-Bürger verfasst: Erika und Richard Arlt

  • Jutta Grieser
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wie unergründlich sind seine Gerichte und unaufspürbar seine Wege«, heißt es im Brief des Paulus an die Römer. Das lässt sich auch über jene Wege sagen, auf denen Westdeutsche die DDR entdecken. Beispielsweise Rainer Bauer, der als Informatiker in der Schweiz arbeitete und nach dem Ende der DDR im Land Brandenburg einen eigenständigen Ableger des 1927 in Stuttgart gegründeten Familienunternehmens aufbaute. Inzwischen beliefert der erfolgreiche Mittelständler auch das Bundeskanzleramt mit seinen Säften.

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Rainer Bauer (Hg.): Erika und Richard Arlt – zwei Leben für die DDR.
Verlag am Park/Edition Ost, 206 S., br., 14,99 €.

Bauer lernte dort, wo er sich niederließ, zwei aktive Antifaschisten und Kommunisten kennen. Deren Lebensleistung und Haltung haben ihn sehr beeindruckt, namentlich ihr Engagement für die jüdischen Opfer eines Deportationszuges: Zweitausend Häftlinge sollten im April 1945 von Bergen-Belsen nach Theresienstadt verbracht werden, der Zug blieb nahe dem Dorf Tröbitz liegen. Die Dorfbewohner bestatteten die Toten, pflegten die Kranken und versorgten die Notleidenden.

Jahre später veranlasste der Werksleiter Richard Arlt, selbst als Widerstandskämpfer von den Nazis inhaftiert, dass dort eine Gedenkstätte errichtet wurde. Seine Frau erforschte das Schicksal der Opfer dieses »verlorenen Transportes« und betreute die Besucher aus aller Welt, zumeist Angehörige jener Naziopfer, die auf dem 1966 neugestalteten Friedhof ihre letzte Ruhestätte fanden.

Richard Arlt starb 1999, seine Frau Erika 2015. Bauer hat nun aus dem Nachlass der beiden, aus anderen schriftlichen Zeugnissen und Gesprächen mit Zeitgenossen ein Buch gemacht, womit er einerseits dem Ehepaar ein Denkmal setzt, andererseits aber auch dem Land, für das sich beide engagierten. Deshalb nennt Bauer die Arbeit in der Unterzeile auch »Ein deutsches Geschichtsbuch«.

Die Art und Weise, wie Bauer mit den Dokumenten umgeht, wie er sie interpretiert, allein schon deren mehr oder minder willkürliche Auswahl, verraten den Nicht-Historiker. Bauer geht vergleichsweise unbedarft mit der Materie um, wenig systematisch, ihm scheint alles gleichermaßen bedeutsam, was er entdeckt hat. Ihm das vorzuhalten, wäre unfair, Bauer zeigt sich unvoreingenommen und objektiv. Allein darin unterscheidet er sich von vielen seiner Landsleute, die oft nur nach Bestätigung ihrer Vorurteile suchen, wenn sie nach der DDR graben. Bauer ist ohne Vorurteil, er meint es gut mit seinen Protagonisten. Sie stehen für jene »Leute an der Basis, von denen es in der DDR viele gab, namenlos, die sich mit ihrer ganzen Lebenskraft und Leidenschaft für den Aufbau einer vollkommen neuen, einer besseren und humanen deutschen Gesellschaft einsetzten«, so Bauer in seinem Vorwort. Fast scheint es, er machte sich die Perspektive der vielen Menschen zu eigen, die beim Ableben von Erika Arlt kondolierten. Sie meldeten sich aus Übersee, aus Israel, Großbritannien ... »A true saint has passed away«, eine wahrhaft Heilige hat uns verlassen, schrieb zum Beispiel Marion Blumenthal Lazan.

Heilig waren die Arlts gewiss nicht. Aber sie waren Menschen mit Überzeugungen. Dass die beiden Ostdeutschen einer größeren Öffentlichkeit nun nahegebracht werden, ist einem Westdeutschen zu danken. Die Wege des Herrn sind unerforschlich ...

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