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Einigung über 219a erst im nächsten Jahr

SPD und CDU finden keinen Kompromiss zu Werbeverbot / FDP setzt Sozialdemokraten unter Druck

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Der FDP reicht es jetzt. »Der Deutsche Bundestag stellt fest: § 219a StGB ist zu streichen«, heißt es in einem Sofortantrag, über den die Fraktion der Liberalen am Donnerstag im Bundestag abstimmen lassen will. In einem früheren Gesetzentwurf hatte sie noch für eine Reform des Paragrafen plädiert. Doch die Diskussion über diesen und weitere Gesetzentwürfe von LINKEN und Grünen, die im Rechtsausschuss des Bundestags vorlagen, wurde immer wieder verschoben.

Paragraf 219a des Strafgesetzbuches verbietet es, Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu machen. Seit gut einem Jahr ist der Paragraf in der öffentlichen Debatte. Damals kam es zu einem Prozess gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel, die auf ihrer Webseite anbietet, Patientinnen auf Nachfrage Informationen über Methoden und Risiken des Eingriffs zuzusenden. Sie wurde zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verklagt. Seitdem mehren sich die Stimmen, den Paragrafen ganz abzuschaffen.

Nun also auch die FDP. »Die FDP hat immer gesagt: An uns wird die Abschaffung des Paragrafen nicht scheitern«, sagte dazu am Mittwoch eine Mitarbeiterin von Stephan Thomae dem »nd«, der für die FDP im Rechtsausschuss sitzt und sowohl für den Gesetzentwurf als auch den neuen Antrag verantwortlich zeichnet. Und da sowohl CDU als auch SPD erklärt hatten, noch im Herbst über einen Gesetzentwurf abstimmen zu wollen, dies aber noch immer nicht passiert ist, will die FDP jetzt offensichtlich noch einmal den Druck erhöhen.

Auch diesen Mittwoch sorgten CDU und SPD mit ihrer Stimmenmehrheit im Rechtsausschuss dafür, dass die Gesetzentwürfe der demokratischen Oppositionsfraktionen abgesetzt wurden. Die Begründung: Zunächst wolle sich die Große Koalition intern einigen.

»Einmal mehr veräppelt die SPD die Öffentlichkeit«, schrieb daraufhin der LINKEN-Rechtsexperte Niema Mossavat auf Twitter. Dem »nd« sagte er: »Es ist eine Unverschämtheit.« Die Koalition habe ursprünglich eine Lösung bis Herbst versprochen. Bisher sei nicht die Rede davon gewesen, sich lediglich innerhalb der Koalition einigen zu wollen. Die LINKE ist für eine Abschaffung des Werbeverbotsparagrafen.

Eine solche Einigung wollte eine Ministerrunde am Mittwoch finden. Am Nachmittag tagten die Bundesministerinnen für Justiz Katarina Barley sowie für Frauen Franziska Giffey (beide SPD), Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Innenminister Horst Seehofer (CSU) und ein Vertreter des Kanzleramts noch immer. Liegt ein gemeinsamer Kompromissvorschlag vor, sollen - wahrscheinlich erst im neuen Jahr - die Regierungsfraktionen die Reformvorschläge diskutieren und bewerten. Bis zur Gesetzesreform ist es dann aber noch ein weiter Weg.

Die Gießener Ärztin Kristina Hänel sagte dem »nd« am Mittwochnachmittag, die Möglichkeit der Abtreibung sei »eine ganz alte sozialdemokratische Frage«. Dass die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles lediglich eine Reform, keine Abschaffung des Paragrafen anstrebe, sei nicht nur schlecht für die Frauen, sondern auch schlecht für ihre Partei. Tatsächlich seien große Teile der SPD längst dafür, den Paragrafen 219a abzuschaffen. »Nahles setzt sich über ihre eigenen Parteigenossen hinweg«, kritisierte Hänel.

Hänel zeigte sich auch verärgert über neue Äußerungen des Präsidenten der Bundesärzteschaft Frank Ulrich Montgomery. In der »Rheinischen Post« vom Mittwoch sagte er, der Paragraf 219a sei »reformbedürftig«. Damit sei er von seiner ursprünglichen Position abgerückt, sagte Hänel. Zuvor habe er den Paragrafen abschaffen wollen.

Hänel war gegen das erstinstanzliche Urteil gegen sie in Berufung gegangen. Wie zu erwarten bestätigte das Landgericht Gießen das Urteil im Oktober. Es entspreche der aktuellen Gesetzeslage. Der Richter sagte zu Hänel: »Sie müssen dieses Urteil tragen wie einen Ehrentitel im Kampf um ein besseres Gesetz.« Hänel will nun vor das Oberlandesgericht in Frankfurt am Main ziehen.

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