«Niemand wird uns davon abhalten»

Fed-Chef Jerome Powell ärgert mit einer Zinserhöhung erneut den US-Präsidenten

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 4 Min.

Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat am Mittwoch erneut den Leitzins leicht angehoben. Dies bestätigt, dass die Zentralbank weiterhin optimistisch in die Zukunft blickt. «Wir denken, dass dieser Schritt für eine sehr gesunde Wirtschaft angemessen war», sagte Fed-Chef Jerome Powell auf einer Pressekonferenz in Washington.

Die Fed hob den Zinssatz um 0,25 Prozentpunkte auf 2,25 Prozent an. Dies war bereits die neunte Erhöhung seit 2015, als die Zentralbank ihre im Zuge der Finanzkrise von 2008 begonnene Nullzinspolitik beendete, und die vierte in diesem Jahr. Gründe dafür sind die besser laufende Wirtschaft, deutlich gesunkene Arbeitslosenzahlen und die Gefahr von Vermögenspreisblasen, die bei ihrem Platzen Zerstörung anrichten.

Die Mitglieder des Offenmarktausschusses, der bei der Fed die wichtigen Entscheidungen trifft, haben ihre Formulierungen seit der letzten Zinserhöhung im September etwas angepasst. Sie deuteten an, dass es 2019 nur noch zwei weitere Erhöhungen geben könnte. Beobachter sehen dies als Signal für einen Perspektivenwechsel bei der Fed. Powell erklärte, dass die Arbeitslosigkeit mit 3,7 Prozent niedrig sei, während die Inflation ebenfalls niedrig bleibe, was gegen eine weitere Erhöhung beim nächsten Treffen des Offenmarktausschusses Ende Januar spreche.

Der Notenbankchef nannte weitere Gründe dafür, die Zinsen nicht zu erhöhen, die das Wachstum unterdrücken könnten. So gebe es Anzeichen dafür, dass sich das globale Wirtschaftswachstum verlangsamt. «Wir haben Entwicklungen gesehen, die eine gewisse Abschwächung gegenüber dem, was wir vor einigen Monaten erwartet haben, signalisieren könnten», sagte Powell. «Das Wachstum in anderen Volkswirtschaften der Welt hat sich im Laufe des Jahres 2018 etwas abgeschwächt, wenn auch auf immer noch auf soliden Niveaus. Gleichzeitig hat die Volatilität der Finanzmärkte in den letzten Monaten zugenommen, und die finanziellen Rahmenbedingungen haben sich insgesamt verschärft. Das heißt, sie sind weniger wachstumsfreundlich geworden.»

Die Anleger konzentrierten sich auf die schlechten Nachrichten. Der S&P 500 fiel bis Ende Mittwoch um 1,5 Prozent, da Händler ihre Aktien veräußerten. Der Index ist um 6 Prozent niedriger als im Vorjahr. Der Deutsche Aktienindex fiel am Donnerstag sogar auf ein Zweijahrestief.

Die Entscheidung der Fed-Beamten und die Reaktion der Wall Street dürften insbesondere Donald Trump verärgert haben. Der US-Präsident hatte die Notenbank wiederholt aufgefordert, die Zinsen nicht weiter zu erhöhen, und attackierte Powell, den er selbst zum Fed-Chef ernannt hatte, in den vergangenen Monaten mehrmals verbal.

Das Problem: Höhere Zinssätze machen Anleihen attraktiver als Aktien, die beide um die Dollar der Anleger buhlen. Jedes Mal, wenn die Fed die Zinsen erhöht, entscheiden sich mehr Anleger dafür, ihr Geld in den weniger riskanten Zinspapieren parken. Trump hingegen möchte, dass die Aktienkurse hoch bleiben, weil viele glauben, dass dies die Gesundheit der Gesamtwirtschaft widerspiegelt.

Höhere Zinssätze machen zudem Kredite teurer, was es für US-Amerikaner schwieriger macht, Häuser und Autos zu kaufen oder ihre Kreditkarte und andere Schulden mit flexiblen Zinssätzen zu bedienen. Das alles bremst die wirtschaftlichen Aktivitäten, die Trump besonders fördern will. «Fühlen Sie den Markt, folgen Sie nicht einfach sinnlosen Zahlen, tweetete der Präsident kurz vor der Zinsentscheidung. Fed-Chef Powell hingegen erklärte: »Niemand wird uns davon abhalten, den richtigen Weg zu gehen.«

In einem seltenen Fall von Übereinstimmung wiederholten politische Gegner Trumps Ansichten. Er denke, die Fed-Verantwortlichen werden diese Zinsentscheidung rückblickend als Fehler ansehen, sagte etwa Josh Bivens, Forschungsdirektor am linksgerichteten Thinktank Economic Policy Institute. »Dies droht, die in jüngster Zeit begonnenen Lohnzuwächse gleich wieder auszulöschen.« Die Fed sollte es ermöglichen, dass die Zuwächse weit mehr Beschäftigte erreichen, »von der Rolltreppe der immer höheren Zinsen wegkommen«.

Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, Vordenker einer Mitte-Links-Achse in der US-Politik, stimmte dem zwar zu. Allerdings kritisierte er auch, dass Trumps Tweets vor der Fed-Entscheidung nach hinten losgegangen sein könnten. »Ich denke, er hat die Fed damit in eine schwierige Position gebracht, weil es einen ziemlich guten Grund dafür gibt, die Zinsen jetzt nicht anzuheben«, sagte Krugman. »Keine Zinserhöhung hätte aber so ausgesehen, als würden sich die Fed schikanieren lassen.«

Auf seiner Pressekonferenz wies Powell eine solche Sichtweise hingegen zurück: »Politische Überlegungen haben bei unseren Diskussionen oder Entscheidungen über die Geldpolitik überhaupt keine Rolle gespielt.«

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