Differenzen nicht produktiv gemacht

Die LINKE hat 2018 hinzugewonnen - allerdings nur einen Bruchteil derer, die der SPD den Rücken gekehrt haben

Summa summarum hat die LINKE in diesem Jahr in Bayern und Hessen zusammen 205.000 neue Wähler gewonnen. Bei beiden Landtagswahlen, am 14. und am 28. Oktober, ist sie stärker geworden, in Bayern sogar erheblich, obwohl sie dort mit einem Ergebnis von 3,2 Prozent erneut den Sprung ins Parlament nicht geschafft hat. Angesichts der erdrutschartigen Verluste der SPD bei beiden Wahlen mutet ihr Ergebnis allerdings eher mager an.

In Hessen hat sie gegenüber 2013 nur um 1,1 Punkte auf 6,3 Prozent zugelegt. Dabei lagen ihre Umfragewerte kurz zuvor noch bei acht Prozent. Nicht wenige Beobachter machen für den, gemessen am Wählerpotenzial, geringen Zuwachs den seit der Bundestagswahl 2017 schwelenden innerparteilichen Streit um die Themen Flucht und Migration verantwortlich. In den bürgerlichen Medien wurde fast ausschließlich darüber berichtet, so dass die Kampagnen der LINKEN für bezahlbaren Wohnraum und eine sanktionsfreie Mindestsicherung von 1050 Euro oder ihre Präsenz bei den Kämpfen der Pflegekräfte um mehr Personal in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde.

Tatsächlich muten die Terraingewinne der LINKEN äußerst bescheiden an, wenn man sie ins Verhältnis zu den SPD-Einbußen und zum Aufschwung der AfD setzt.

In Bayern erhielt die LINKE 43 6000 Stimmen und damit 185 000 mehr als vor fünf Jahren. Das sind wegen der deutlich höheren Wahlbeteiligung nur 1,1 Prozentpunkte, in absoluten Zahlen aber 70 Prozent mehr als 2013. Zugleich verlor aber die SPD gut 1,1 Millionen Wähler, von denen 210 000 zu den Grünen, 100 000 zur CSU, 70 000 zu den Freien Wählern und 50 000 zur rechten AfD wechselten. Letztere erhielt im Freistaat 10,2 Prozent der Stimmen. 200 000 Unterstützer mobilisierte sie allein aus dem Nichtwählerlager.

In Hessen, wo die Wahlbeteiligung um sechs Prozent unter der von 2013 lag, konnte die LINKE absolut nur 20 000 zusätzliche Wähler mobilisieren. Insgesamt votierten 181 000 Menschen für die Partei. Zum Vergleich: Die SPD verlor 392 000 Anhänger, von denen nach Schätzung von Infratest dimap 101 000 zu den Grünen und 38 000 zur AfD wechselten, während sogar 68 000 überhaupt nicht zur Abstimmung gingen.

Bleibt abzuwarten, wie sich die LINKE zur Wahl des Europaparlaments im Mai aufstellen wird. Zwar scheint die von Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht mitgegründete Sammlungsbewegung »Aufstehen« nicht in Konkurrenz zur Linkspartei anzutreten. Allein die durch die »Aufstehen«-Bildung in der Partei bedingte Unruhe hat die LINKE jedoch ebenso geschwächt wie der andauernde Streit um die Forderung nach »offenen Grenzen« bzw. Bewegungsfreiheit für alle Menschen. Parteichef Bernd Riexinger benannte die Lage nach der Hessen-Wahl diplomatisch-zurückhaltend: »Die Grünen sind geschlossener aufgetreten als wir.« Eine Schlussfolgerung für Riexinger: Die LINKE müsse künftig »stärker deutlich machen, dass die soziale Frage mit der ökologischen verwoben ist«. Damit nahm er einen Schwerpunkt des Europawahlprogramms der Partei vorweg, das auf dem Parteitag in Bonn am 23. Februar beschlossen werden soll. Gleichwohl steht der Kampf für »gute«, also existenzsichernde Arbeit, für soziale Absicherung und gegen die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge im Programmentwurf des Parteivorstands an erster Stelle. In Umfragen zu den Präferenzen bei der Europawahl liegt die LINKE derzeit bei 9,5 bis zehn Prozent, also etwas über dem Wert, den sie bei der Bundestagswahl 2017 erzielte (9,2).

In Ostdeutschland steht die Partei immer noch vergleichsweise gut da. Würde in Kürze der Bundestag neu gewählt, käme sie dort auf 16 Prozent, also auf doppelt so viel wie die SPD. Allerdings ist die CDU in den »neuen Ländern« mit 29 Prozent stärkste Partei, und die AfD steht mit derzeit 26 Prozent in Umfragen an zweiter Stelle.

Und in Brandenburg und Thüringen, wo die LINKE an der Regierung beteiligt ist, hat sie gegenüber 2014 deutlich, in Thüringen sogar massiv an Zustimmung verloren. Zugleich profitiert sie in Sachsen nicht von den Verlusten der CDU. Ein Grund dafür dürfte die Neigung vieler Menschen sein, für Missstände eher Geflüchteten und Migranten die Schuld zu geben, statt dem seit 20 Jahren von der CDU betriebenen Sozialabbau. Andererseits wird die LINKE, die schon seit den 90er Jahren vor allem bestrebt war, in Regierungsverantwortung zu kommen, von der Mehrheit der Wähler in Ostdeutschland seit langem als »normale« Partei und Teil des »Establishments« wahrgenommen.

Am 1. September 2019 wird in Brandenburg wie auch in Sachsen der Landtag neu gewählt, am 27. Oktober in Thüringen. In Brandenburg, wo die LINKE seit 2009 mit der SPD regiert, liegt derzeit die AfD bei 23 Prozent - gleichauf mit den Sozialdemokraten. Die LINKE kam bei den letzten Umfragen auf 17 Prozent und liegt damit um 1,6 Punkte unter dem Wahlergebnis von 2014.

In Thüringen, wo die LINKE mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten stellt, lag die Partei bei einer Umfrage vom 9. November bei 22 Prozent. 2014 hatte sie mit 28,2 Prozent ihr bestes Ergebnis überhaupt erzielt.

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