Wenn das Rentenalter erreicht ist: Mitarbeiter können weiterarbeiten
Urteile im Überblick
Die Regelung im Sozialgesetzbuch VI, die solche Vereinbarungen ermögliche, genüge den verfassungsrechtlichen Vorgaben und sei nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von Februar 2018 mit EU-Recht vereinbar. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (Az. 7 AZR 70/17).
Geklagt hatte ein Berufsschullehrer aus Niedersachsen, der nach Erreichen der Regelaltersgrenze aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber noch befristet für fünf Monate weiterarbeiten sollte. In dieser Zeit war seine Wochenarbeitszeit von der Schule angehoben worden. Der Lehrer vertrat die Ansicht, dass die Befristungsvereinbarung damit unwirksam sei. Dem widersprach das BAG. Sie sei wirksam, entschieden die Richter - wie bereits die Vorinstanzen.
Elternzeit verlängern: Zustimmung des Chefs ist nicht nötig
Arbeitnehmer dürfen nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg die Elternzeit für das dritte Lebensjahr ihres Kindes ohne Zustimmung des Arbeitgebers verlängern.
Mit diesem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (Az. 21 Sa 390/18) bekamen die Eltern Recht. Der Kläger hatte Elternzeit für zwei Jahre ab der Geburt des Kindes beantragt. Einige Monate nach der Geburt des Nachwuchses wurde ein zusätzlicher Antrag auf Elternzeit für ein weiteres Jahr gestellt, das sich direkt anschließen sollte. Dies lehnte die Arbeitgeberin ab. Aus den gesetzlichen Regelungen ergebe sich nicht, dass in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes nur die erstmalige Inanspruchnahme von Elternzeit ohne Zustimmung möglich sein soll, hieß es. Der Gesetzgeber habe die Bindungsfristen eingeschränkt, um Eltern mehr Flexibilität zu ermöglichen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, da über diese Rechtsfrage noch nicht auf höchster Ebene geurteilt wurde.
Kurzarbeit betrifft nicht das Urlaubsgeld
Arbeitgeber dürfen nicht wegen Kurzarbeit das Arbeitsentgelt während des gesetzlichen Mindestjahresurlaubs mindern.
Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg im Fall eines deutschen Betonbauers. Der Mann wurde nach dem Bundesrahmentarifvertrag Bau bezahlt. Nach den tariflichen Regelungen hatte er Anspruch auf 30 Tage Erholungsurlaub. Der während des Urlaubs gezahlte Lohn fiel bei ihm jedoch niedriger aus als gedacht. Der Arbeitgeber hatte zur Berechnung Kurzarbeitszeiten mindernd berücksichtigt, wie das die tariflichen Bestimmungen vorsahen. Damit verringerte sich der Lohn im Urlaub.
Das Arbeitsgericht Verden sah darin einen Verstoß gegen EU-Recht und legte das Verfahren dem EuGH vor. Die Richter konnten nur zu dem nach EU-Recht garantierten Mindestjahresurlaub von vier Wochen entscheiden. Der Arbeitnehmer hatte im konkreten Fall nur ein halbes Jahr gearbeitet. Deshalb stünden ihm nur zwei Wochen Mindestjahresurlaub zu. Während dieses Urlaubs müsse er aber sein gewöhnliches und nicht ein gemindertes Arbeitsentgelt erhalten, entschieden sie.
Zur Einbeziehung der Behindertenvertretung bei Kündigungen
Bei der Kündigung schwerbehinderter Beschäftigter müssen Arbeitgeber die Behindertenvertretung im Unternehmen nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht unverzüglich einschalten. Die Kündigung sei nicht unwirksam, wenn die Vertretung später informiert werde.
Zu dieser Entscheidung kam das Bundesarbeitsgericht (Az. 2 AZR 378/18). Ungültig werde sie nur, wenn die Vertretung übergangen werde.
Der 2. Senat des höchsten deutschen Arbeitsgerichts hatte sich mit der Kündigung einer als schwerbehindert eingestuften Krankenhaussekretärin aus Sachsen im März 2017 befasst. Das Krankenhaus hatte die Schwerbehindertenvertretung erst nach dem Integrationsamt und dem Betriebsrat eingeschaltet. Wenige Tage nach der Anhörung der Behindertenvertretung erhielt die Frau die Kündigung. Sie wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage und bekam in den Vorinstanzen zunächst Recht.
Gegen das Berufungsurteil am Landesarbeitsgericht ging das Krankenhaus in Revision. Die höchsten Arbeitsrichter hoben das vorherige Urteil nun auf und verwiesen den Fall zur endgültigen Klärung zurück an das sächsische Landesarbeitsgericht. Agenturen/nd
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