»Open Arms« von Madrid festgehalten

Spanien lässt Seenotretter nicht auslaufen

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.

Erwartet wurde von vielen in Spanien, dass die sozialdemokratische Regierung eine humanitäre Flüchtlingspolitik betreiben würde. Aber das Geschehen um »Open Arms« und »Aita Mari« zeigt das Gegenteil. Hilfsorganisationen sind entsetzt darüber, dass die Regierung mit fadenscheinigen Argumenten das Auslaufen von Rettungsschiffen verhindert.

Der Stadtrat von Barcelona hat nun mit großer Mehrheit gefordert, das Rettungsschiff »Open Arms« sofort freizugeben, das im Hafen von Barcelona blockiert ist, damit es seiner Aufgabe nachkommen kann. Seit dem 8. Januar verbietet die Hafenbehörde, die dem Infrastrukturministerium in Madrid untersteht, das Auslaufen, um vor der Küste Libyens ertrinkende Menschen zu retten. »Open Arms« hat auf Twitter einen Zähler eingerichtet. Dort ist zu lesen, dass seit der Blockade knapp 250 Menschen ertrunken seien.

Verstehen kann Óscar Camps, Präsident der Hilfsorganisation, das Vorgehen und die technische Begründung nicht. »Dass nach zwei Jahren auf See festgestellt wird, dass das Schiff nicht geeignet sei, ist entweder eine Ausrede oder ein politischer Schwenk«, sagte er. Letzteres wird im Baskenland vermutet, wo seit dem 18. Januar auch die »Aita Mari« blockiert ist. Auch hier führen die Behörden an, das umgebaute Schiff, einst zum Fang von Thunfisch eingesetzt, sei nur für die Beförderung von 20 Personen zugelassen. Die »Open Arms« hatte mehr als 300 Menschen an Bord, als sie Ende des Jahres nach einer Odyssee im Hafen von Algeciras einlief. Die Humanitäre Seenotrettung, die hinter der »Aita Mari« steht, wartet nun auf die Entscheidung über ihren Einspruch. Ihr Sprecher Daniel Rivas erklärte gegenüber »nd«: »Die Begründung basiert auf einer falschen Auslegung.«

Die Mitglieder der Besatzung der »Aita Mari«, die alle schon als Seenotretter unterwegs waren, gehen von einem politischen Schachzug aus. »Wenn eine Regierung der Sozialistischen Arbeiterpartei von einem Faschisten wie Salvini gelobt wird, dann stimmt irgendetwas nicht«, erklärt der Kapitän Marco Martínez, der schon auf der »Open Arms« gefahren ist. Tatsächlich hat der italienische Innenminister den neuen Umgang Spaniens mit den Schiffen gelobt.

Soweit ist nicht einmal die konservative Vorgängerregierung gegangen. Sie hatte Seenotretter agieren lassen. Die Enttäuschung darüber lässt auch den Druck auf die jetzige Regierung von Pedro Sánchez steigen. Linksparteien wie die baskische EH Bildu und Podemos haben deshalb einen Antrag ins Parlament eingebracht, in dem sie die Freigabe der Rettungsschiffe fordern. Sánchez ist auf ihre Stimmen angewiesen.

Am Samstag sind 5000 Menschen aus Irun im spanischen Baskenland über die Grenze nach Hendaye (Frankreich) gezogen, um für offene Grenzen einzutreten und haben sich mit der Besatzung der »Aita Mari« solidarisiert. »Die Zukunft Europas ist multikulturell - oder es hat keine«, erklärten Sprecher vom Aufnahmenetzwerk Irun. Die »Aita Mari« befand sich derweil auf dem Weg nach Bilbao.

Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -