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Sieger*in bei »Anglizismus des Jahres«: das Gendersternchen

  • Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 2 Min.

Lieber Leser - Sie sind natürlich auch mitgemeint, lieber Frau Leser. Das Wort »Leser« ist zwar männlich. Beim generischen Maskulinum sind aber alle gemeint. Dass das oft nicht stimmt, belegen inzwischen zahlreiche Studien: Werden Personen etwa nach Romanhelden gefragt, nennen sie häufiger nur Männer, als wenn sie nach Romanhelden und Romanheldinnen gefragt werden.

Nun wurde das »Gendersternchen« zum Anglizismus des Jahres 2018 gekürt. Gemeint ist damit das typographische Zeichen (*), das zwischen die männliche Form und die weibliche Endung »in« gesetzt wird, also zum Beispiel »Liebe Leser*innen«. Das Sternchen stammt aus der Computersprache, wo es eine platzhaltende Funktion hat und für eine beliebige Anzahl von Zeichen steht. So ermöglicht es, auch Menschen anzusprechen, die sich in der binären Geschlechterordnung (Frau - Mann) nicht wiederfinden. Anders als etwa das »Binnen-I« (LeserInnen), das tatsächlich nur Männer und Frauen meint. Ausgesprochen wird das Gendersternchen mit einer kurzen Pause. Man sagt also nicht »LeserSternchenInnen«, sondern »Leser innen«. Genau genommen handelt es sich um einen Scheinanglizismus. Die Jury wolle mit ihrer Wahl aber den englischen Wortstamm Gender würdigen. Denn während es im deutschen nur den Begriff »Geschlecht« gibt, unterscheidet das Englische zwischen »sex« (biologischem Geschlecht) und »gender« (sozialem Geschlecht).

Linguist*innen haben untersucht, wie sich Sprache und Denken gegenseitig beeinflussen. Dabei spiele Macht eine große Rolle. Im Deutschen existierte für Vieles lange gar kein Femininum. Frauen werden erst mitgemeint, seitdem sie mehr Rechte erkämpft haben und im öffentlichen Raum überhaupt sichtbar sind. Erst seit 100 Jahren dürfen sie wählen, vorher waren mit »Wähler« tatsächlich nur Männer gemeint. Juror Anatol Stefanowitsch erklärt: »Als dann auch Frauen wählen durften, hieß es: Also gut, ab jetzt sind sie mit ›Wähler‹ auch gemeint. Nicht das generische Maskulin ist 2000 Jahre alt. Sondern das Patriarchat.« So ist Sprache eben doch politisch.

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