Grundrente »reicht nicht, um Altersarmut zu bekämpfen«

LINKE will eine armutsfeste Rente. Ein Baustein ihres Konzepts fand schon mal bei der Union Anklang

  • Alina Leimbach
  • Lesedauer: 4 Min.

Renten rauf - das ist ein zentraler Punkt der LINKEN. Schon vor Jahren haben sie dazu die entsprechenden Konzepte vorgelegt, um Altersarmut zu bekämpfen. »Solidarische Mindestrente«, heißt das bei der Partei. Doch es ist ausgerechnet das Konzept des Arbeitsministers Hubertus Heil (SPD) zur Grundrente, das nun die Debatte zur Rente in Fahrt gebracht hat. Am Mittwoch stellte die LINKE daher noch einmal ihre Forderungen für ein Rentenmodell vor. Der Schwerpunkt: Eine armutsfeste Rente. Denn, gerade die Höhe der neuen Grundrente ist der große Knackpunkt an Hubertus Heils Rentenplänen.

»Zwar wäre der Wegfall der Bedürfnisprüfung ein großer Fortschritt, um gegen versteckte Altersarmut vorzugehen«, sagte LINKEN-Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch. »Aber die von Heil anvisierte Höhe der Grundrente reicht nicht, um Altersarmut zu bekämpfen.« Die LINKE will daher mit ihrem Konzept der »solidarischen Mindestrente« die Renten auf mindestens 1050 Euro aufstocken. Dieser Wert richtet sich nach der EU-Armutsdefinition. »Ein zentrales Versprechen des Sozialstaats lautet: Du arbeitest - dann ist auch die Rente auskömmlich«, so Bartsch.

Laut EU-Definition gilt der- und diejenige als armutsgefährdet, der oder die in Deutschland lebend weniger als 1096 Euro monatlich zur Verfügung hat. Bei den Personen über 65 Jahren gelten nach dieser Rechnung 17,7 Prozent armutsgefährdet - und damit insgesamt 2,8 Millionen Menschen. Heils »Respektrente« würde aber selbst im maximalen Fall nicht annährend an die Grenze kommen, die die EU derzeit für armutsfest hält. Gerade einmal 961 Euro Rente wären es im Maximalfall, so eine Beispielrechnung des Arbeitsministers. Derzeit erhalten arme Rentner*innen die bedürfnisgeprüfte Grundsicherung im Alter, im vergangenen Jahr im Schnitt 796 Euro.

Die LINKE setzt dagegen auf eine interessante Gegenstrategie. Ihr Konzept ist neben der Mindestrente eine Mischung aus der real existierenden Rentenpolitik Österreichs und, überraschenderweise, einer uralten CDU-Forderung. Die Union hatte Anfang der 70er Jahre einen Verbesserung der Rente nach Mindestentgeltpunkten gefordert.

Zudem solle der Mindestlohn sofort auf mindestens zwölf Euro angehoben werden und das Rentenniveau wieder 53 Prozent erreichen - dieser Wert wurde zuletzt 2000 erreicht. »Das ganze sind vier Bausteine, um die Rentensituation nachhaltig zu verbessern«, erklärte Parteichefin Katja Kipping. Gerade auch die Anhebung der Löhne sei ein »hervorragendes Mittel zur Kostensenkung«.

Der Baustein zu den Mindestentgeltpunkten sieht vor, dass alle, die 25 Jahre lang Rentenversicherung eingezahlt haben, einen Anspruch auf Verdoppelung ihrer Rente bis auf 80 Prozent des Durchschnittsrentenwertes (derzeit 1441,35 Euro West/ 1381,05 Euro Ost) hätten. Voraussetzung ist, dass ihr durchschnittliches versichertes Einkommen zwischen 20 und 80 Prozent dieses Wertes lag. In den 25 Jahren sollen Ausbildungs- und Hochschulzeiten besser als zuvor berücksichtigt werden. Ein ähnlich geartetes Konzept hatte die CDU 1971 vorgeschlagen - und war damit sogar weiter gegangen als das Modell der sozialliberalen Koalition. Zudem möchte die LINKE, dass auch im Arbeitslosengeld-II-Bezug weiter in die Rentenversicherung einbezahlt wird.

»Wir wollen die gesetzliche Rentenversicherung stärken«, betonte der rentenpolitische Experte der LINKEN, Matthias W. Birkwald. Wer dann auch mit einer Höherstufung nicht auf ein »armutsfestes« Rentenniveau komme, solle eine Ausgleichszahlung zur Differenz von 1050 Euro erhalten. »In unserem Nachbarland Österreich, das wirtschaftlich nicht bedeutend schlechter dasteht als wir, geht das auch«, sagte Birkwald. Durch die sofortige Anhebung des Mindestlohns könnten zudem die Kosten für ein solches Vorhaben gesenkt werden. Ein weiterer Plan um die zusätzlichen Kosten zu finanzieren: Die Anhebung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung von heute 18,6 auf 20,9 Prozent. »Das würde im nächsten Jahr bei einem Durschnittsverdienst von 3364 Euro auf zusätzliche Ausgaben für die Versicherten und deren Betrieb von je 39 Euro im Monat hinauslaufen«, so Birkwald. Würde zeitgleich das höhere Rentenniveau von 53 Prozent umgesetzt, würden die Beschäftigten aber auch 81 Euro mehr Rente erhalten. Zusatzkosten von sechs bis sieben Milliarden würde das Modell dennoch kosten - vorausgesetzt auch Forderungen wie die Anhebung des Mindestlohns würden realisiert.

Hubertus Heil kündigte nach Angaben der »Bild«-Zeitung Änderungen am SPD-Konzept zur Grundrente an. Senior*innen sollen demnach schon nach 33 statt 35 Jahren, Anrecht auf die »Grundrente« erhalten. Das solle über eine Art Gleitzone realisiert werden. Sozialverbände hatten zuvor kritisiert, dass mit der harten Grenze von 35 Jahren Ungerechtigkeiten entstünden.

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