Garnisonkirche auf Schokolade ist nicht »braun«

In Potsdam wundert sich ein Bürger über Kritik an seiner Abbildung des Gotteshauses auf Süßigkeiten

Nächste Woche wird der Kaufmann Siegfried Grube 80 Jahre alt. Kurz vor seinem runden Geburtstag will er sich eigentlich nicht ärgern. Doch ihn entsetzt, dass er wegen seines langjährigen Engagements für den umstrittenen Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche nun in eine rechte Ecke gestellt werde.

Das hat er nicht verdient. Er sagt zum Beispiel: Es sei »entsetzlich anzusehen, wie sich das mit der AfD entwickelt«, dass diese Partei bei der Landtagswahl am 1. September 2019 stärkste Kraft in Brandenburg werden könnte. Wie kann es sein, dass Grube sich nun angegriffen fühlt?

Der Kaufmann betreibt einen Rewe-Markt an der Breiten Straße 27, nur ein Stück entfernt von der Stelle, an der derzeit die ersten Lagen Ziegelsteine für den Turm der Kirche gemauert werden. Seit 15 Jahren unterstützt Siegfried Grube das Projekt. Er ist 1954 nach Potsdam gekommen, als noch der Turm der bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg ausgebrannten Kirche gestanden hat. Die Ruine wurde 1968 gesprengt. Das Stadtbild war 1954 von Trümmern geprägt. Das hat Grube weh getan. Er nennt die Garnisonkirche schwärmerisch »das schönste Barockbauwerk im Land Brandenburg«. Im vergangenen Jahr schenkten ihm Bekannte eine Tafel Schokolade der Reihe »Süße Grüße aus...« mit einem Motiv aus Babelsberg. Die Bekannten seien übrigens links eingestellt und nd-Leser, bemerkt Grube. Sie hätten ihm gern eine noch größere Freude gemacht mit einem Motiv der Garnisonkirche. So eine Schokolade sei aber nirgendwo zu bekommen gewesen. Das habe ihn auf die Idee gebracht, die auf der Verpackung angegebene Schokoladenmanufaktur in Wiesbaden anzurufen und selbst Tafeln mit der Aufschrift »Süße Grüße aus Potsdam« nebst einer Abbildung der Garnisonkirche in Auftrag zu geben. Der Grafiker habe sich bei der Farbgebung an dem ostdeutschen Markenprodukt »Rotstern« orientiert, sagt Grube. Für 3,62 Euro das Stück verkauft er die Schokolade in den Ausführungen Vollmilch und Zartbitter in seinem Markt. 30 Cent gehen an die Stiftung Garnisonkirche Potsdam. 300 Tafeln habe er kurz vor Weihnachten innerhalb von fünf Tagen abgesetzt. »Das ist viel«, betont er. Bei den geringen Gewinnmargen im Lebensmittelhandel verdiene er fast nichts dabei. Aber darum gehe es ihm gar nicht.

Der 79-Jährige unterstützt viele andere Projekte, gibt etwa pro Jahr Waren im Wert von 35 000 bis 40 000 Euro an die Tafel ab, die Bedürftige mit Lebensmitteln versorgt, spendet an die Multiple-Sklerose-Gesellschaft und sponsert Kanusportler. Darüber berichtet kaum einmal jemand, bedauert Grube. Nun aber die Sache mit der Bürgerinitiative »Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche«. Diese verschickte am Mittwochnachmittag eine Pressemitteilung unter der Überschrift: »Brauner Gruß aus Potsdam: Rewe-Markt knüpft mit Garnisonkirchen-Schokolade an problematisches Vorbild an«. Die Garnisonkirche habe nämlich bereits einmal während der Nazizeit eine Schokoladenverpackung geziert. Darauf zu sehen war außerdem ein Hitlerjunge mit Hakenkreuzfahne. In der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen sei so ein Produkt zu sehen. Ob Grube sich dieses Vorgängermodells bewusst sei, wird gefragt. »Knüpft er absichtlich daran an?«

Grubes Antwort lautet ganz klar: »Nein!« Doch darauf kommt es der Bürgerinitiative nicht unbedingt an. Sie schreibt mit Blick auf die Garnisonkirche: »Egal ob Fettnäpfchen oder Kalkül: Dieses Machtsymbol der NS-Zeit heute ausgerechnet auf einer Schokolade zu vermarkten, ist geschmacklos und nur mit einer gehörigen Portion Verblendung beziehungsweise Unverfrorenheit zu erklären.« Der Supermarktbetreiber will sich das nicht bieten lassen. »Ich werde Anzeige wegen übler Nachrede erstatten«, kündigt er an.

»Die aufgemachte Analogie gibt es wohl nur in den Köpfen der Initiative«, findet Wieland Eschenburg von der Stiftung Garnisonkirche. »Analogien und Anknüpfungspunkte können, wenn gewollt, gewiss zu allen möglichen Produkten konstruiert werden.«

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