Proteste gegen die Hamas

Generalstreik am Donnerstag - Sicherheitskräfte reagieren mit Tränengas

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Über das Internet wurde zu einem Generalstreik am heutigen Donnerstag aufgerufen. In mehreren Städten im Gazastreifen blieb gut die Hälfte der Geschäfte geschlossen. Tausende gingen auf die Straße, wo der militärische Flügel der Hamas, die Essedin-al-Kassam-Brigaden und die Polizei der Hamas-Regierung mit ganzer Härte gegen Demonstrationen vorgingen.

Schon zuvor hatte es in der vergangenen Woche täglich Proteste gegen die Hamas gegeben. Auf Handyvideos ist zu sehen, wie unbewaffnete Demonstranten mit Schlagstöcken attackiert werden und die Polizei Tränengas und scharfe Munition eingesetzt. Das im Internet kursierende Bildmaterial, auf dem zu sehen sein soll, wie sich eine Person selbst verbrennt, stellte sich indes als nicht authentisch heraus. Die Polizei habe mehrere hundert Personen festgenommen und wende in Verhören auch Folter an, heißt es bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International.

Es ist das erste Mal seitdem die Hamas im Sommer 2007 die Macht im Gazastreifen übernommen hat, dass die Menschen dort in großer Zahl gegen die politische Organisation auf die Straße gehen. Mit dem Slogan »Wir wollen leben« hatte Anfang des Monats eine bis dahin nicht in Erscheinung getretene Gruppe namens »Bewegung 14. März« im Internet zu Protesten aufgerufen. Der eigentliche Antrieb dürfte die wirtschaftliche und soziale Lage sein, die heute schlechter ist als je zuvor. In einem Bericht macht die Weltbank vor allem die Blockade durch Israel und Ägypten dafür verantwortlich, schränkt aber selbst ein: Der Bericht wurde in der ersten Jahreshälfte 2018 erstellt; seitdem hat vor allem ein innerpalästinensischer Machtkampf die Lage weiter verschärft. Die Arbeitslosigkeit liegt nach Angaben der Weltbank bei 54 Prozent. Hinzu kommt, dass die Hamas in den vergangenen Monaten die Steuern auf viele Güter erhöht hat. Die Preise für Grundnahrungsmittel, Obst und Gemüse haben sich seit Jahresbeginn verdreifacht.

Um die Hamas dazu zu zwingen, den Gazastreifen wieder unter die Kontrolle der palästinensischen Regierung zu stellen, hatte Präsident Mahmud Abbas Ende 2017 die Einstellung der Zahlungen für Strom- und Treibstofflieferungen aus Israel verfügt. Später wurden dann auch die Lohnzahlungen für Regierungsmitarbeiter in Gaza schrittweise zurückgefahren und nun ganz eingestellt. Zuvor hatten Hamas und Abbas-Regierung jahrelang unter ägyptischer Vermittlung ergebnislos über eine Einigung verhandelt.

Abbas fordert nun, dass die Arabische Liga intervenieren müsste, um die Hamas zur Ruckgabe ihrer Macht an die Regierung in Ramallah zu drängen. Doch von dort sind bislang nur allgemeine Appelle zu hören, während sich gleichzeitig ein Streit zwischen Abbas und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zuspitzt. Der arbeitet schon seit Monaten, sehr zum Leidwesen seiner Koalitionspartner, an einer Annäherung an die Hamas: Die Abbas-Regierung habe keine Chance, in Gaza wieder an die Macht zu kommen, so Netanjahu. Viel wahrscheinlicher sei es, dass kleine, radikalere Gruppen von einer Schwäche der Hamas profitieren. In Kairo verhandeln seine Abgesandten deshalb schon seit Langem indirekt mit Vertretern der Organisation über einen dauerhaften Waffenstillstand. Selbst als kürzlich zwei Raketen bei Tel Aviv einschlugen, brachen die Kontakte nicht ab. Stattdessen sprachen beide Seiten von einem »Unfall«.

Aber vor allem verschaffte Netanjahu der Hamas dringend benötigtes Geld: Die Regierung Katars kam für Strom- und Treibstofflieferungen auf. Auch wurden mindestens einmal, im Januar, 15 Millionen US-Dollar in bar von Katar nach Gaza gebracht.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal