Junge Union-Chef provoziert mit Kritik an »Gleichschaltung« der CDU

Tilman Kuban beklagt in der CDU gäbe es keine kontroversen Debatten und zieht einen Vergleich zur NS-Zeit

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der neue Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, hat eine »Gleichschaltung« der CDU unter Kanzlerin Angela Merkel beklagt - und damit reichlich Ärger auch in den eigenen Reihen provoziert. Am Samstag ruderte der 31-Jährige zurück und erklärte, seine Wortwahl sei »unpassend« gewesen. Er stehe aber dazu, dass andere Meinungen nicht von oben tabuisiert werden dürften. Der Begriff »Gleichschaltung« wird zumeist im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Regime verwendet.

Der Jurist Kuban war erst vor einer Woche an die Spitze der Jungen Union (JU) gewählt worden, die mit mehr als 100.000 Mitgliedern die größte politische Jugendorganisation Europas ist. Er hatte der »Welt« gesagt, er vermisse kontroverse Diskussionen in seiner Partei. »In den letzten Jahren haben sich viele in der CDU nicht mehr wohlgefühlt, weil wir bei unserer Ausrichtung eine Gleichschaltung erlebt haben. Wir brauchen wieder drei Flügel und Persönlichkeiten, die ihre Meinung sagen.«

Warum der Begriff so problematisch ist: Die Nazis hatten, nachdem sie an die Macht kamen, Parteien, Verbände, Vereine und die Medien auf ihre politischen Ziele hin ausgerichtet. In diesem Zusammenhang spricht man meist von »Gleichschaltung«.

Am Wochenende hagelte es Kritik für die Wortwahl - auch innerhalb der CDU. »Gleichschaltung? Nein.«, schrieb die stellvertretende CDU-Chefin und Agrarministerin Julia Klöckner auf Twitter. »Gleichschaltung gibt es in Systemen, in denen wir als Demokraten zum Glück nicht leben.« Der niedersächsische CDU-Vorsitzende Bernd Althusmann teilte mit: »Von einer Gleichschaltung einer demokratisch verfassten Volkspartei CDU zu sprechen, ist nicht akzeptabel.«

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven Kindler reagierte empört. Gleichschaltung sei die Strategie der Nazis für die Entfernung von Juden und Oppositionellen aus Staat und Gesellschaft gewesen, schrieb er auf Twitter. »Damit relativiert Kuban den Nationalsozialismus. Er klingt eins zu eins wie Gauland und Höcke.« Gemeint sind AfD-Chef Alexander Gauland und der AfD-Landeschef in Thüringen, Björn Höcke.

Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik

Kuban sagte, dass die Parteibasis vor allem in der Flüchtlingskrise eine andere Politik gewollt habe. »2015 hat eine schweigende Mehrheit in der CDU den Kurs der Führung nicht mitgetragen.« In dem Jahr kamen rund 900.000 Migranten nach Deutschland. Merkel hätte damals viel früher ein Stoppsignal setzen müssen, so Kuban.

Lesen Sie auch: Rechtsaußen wird JU-Chef - Tilman Kuban wettert gegen alles diesseits des rechten Unionflügels

Der 31-Jährige kritisierte auch weitere Entscheidungen Merkels von großer Tragweite. »Ich frage mich schon, ob die Abschaffung der Wehrpflicht, wie sie gelaufen ist, wirklich klug war.« Auch der kurzfristige Atomausstieg sei ein Fehler gewesen. Seit drei Jahren ist der Jurist Kuban Leiter der Rechtsabteilung bei den Unternehmerverbänden Niedersachsen, er kandidiert auf einem aussichtsreichen Listenplatz bei der Europawahl Ende Mai.

Der Vorsitzenden der besonders konservativen und Merkel-kritischen Gruppe Werte-Union, Alexander Mitsch, nannte Kubans Wortwahl »unglücklich«, gab ihm aber in der Sache recht. »Die teilweise stereotypen Reaktionen auf die Aussagen von Tilman Kuban zeigen, dass er den Nerv getroffen hat«, sagte er. Die CDU habe unter Merkel als Parteivorsitzender »eine offene Meinungsbildung verlernt und wurde zum Anhängsel des Kanzleramts degradiert«. Nun müsse die Partei wieder lernen, offen zu diskutieren. dpa/nd

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal