Die Seilschaften der früheren Milizenführer

Einstige Anführer der UCK, denen schwere Verbrechen vorgeworfen werden, haben Kosovo fest im Griff

  • Elke Windisch, Dubrovnik
  • Lesedauer: 3 Min.

Fort sind sie: Blumenkübel und ein Rasenstück, die lange die Brücke blockierten, die sich in Kosovska Mitrovica über den Ibar spannt. Wirklich gestört haben sie nie. Die Brücke verbindet nicht, sie trennt. Nicht nur die Stadt, sondern ganz Kosovo. Im Norden leben fast ausschließlich Serben, im Süden Albaner. Beide sind sich noch immer in unerbittlicher Feindschaft verbunden. Wirtschaft und Infrastruktur, Parteien und die schwache Zivilgesellschaft sind nach ethnischen Prinzipien organisiert.

Prominente Völkerrechtler porträtieren Kosovo daher als De-facto-Regime mit begrenzter Souveränität und eingeschränkter Kontrolle über das eigene Hoheitsgebiet. Denn im Norden hat die Zentralregierung in Pristina nichts zu melden. Die NATO-geführte KFOR-Friedensmission schreitet ein, wenn die Feindschaft der Volksgruppen zu offener Gewalt eskaliert. Nach wie vor stehen Hunderte Blauhelme im Land.

Personell gut aufgestellt ist auch EULEX: die mit weitgehenden Befugnissen ausgestattete Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union, die Kosovo beim Aufbau von Polizei, Justiz und Verwaltung unterstützen soll. Dazu sowie für Wiederaufbau und Entwicklung stellte die internationale Gemeinschaft bisher rund eine Milliarde Euro zur Verfügung.

Obwohl Kosovo deutlich kleiner ist als Schleswig-Holstein und nur knapp 1,9 Millionen Einwohner hat, sind die Ergebnisse bisher mickrig. Die Maßnahmen der EU in Kosovo, rügt sogar der Europäische Rechnungshof, hätten bisher wenig Erfolg gehabt. Kein Wunder, ätzt ein lokaler Kolumnist. Die Eurokraten hätten in den gleichen Werkzeugkasten gegriffen, mit dem die internationale Gemeinschaft zuvor schon beim Krisenmanagement in Afghanistan oder Irak krachend scheiterte. Dabei meldeten sich Bedenkenträger frühzeitig zu Wort.

Medien zitierten schon 2008, als immerhin vier EU-Mitglieder sich gegen die Anerkennung der Region querlegten, einen hochrangigen Beamten des sonst eher vorsichtigen Bundesnachrichtendienstes (BND), der Kosovo als Land beschrieb, in dem »organisierte Kriminalität die Staatsform« sei. Eng verflochtene Netzwerke organisierter Kriminalität hätten die »Politik und Wirtschaft tief durchdrungen.« So tief, dass Statistiken der Weltbank das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung gleich zweimal ausweisen. Einmal ohne und einmal mit Erlösen aus Drogen- und Waffenhandel, auf den inzwischen 20 Prozent der Wirtschaftsleistung Kosovos entfallen.

Und schon 2008 nannte der BND-Mann Ross und Reiter. Männer, die bis heute an den Schaltstellen der Macht sind: Hashim Thaci und Ramush Haradinaj.

Thaci, politischer Führer der UCK, jener albanischen Milizen, gegen die das Haager Tribunal wegen Kriegsverbrechen ermittelte, war von den Warlords gleich nach dem Krieg zum Chef der Übergangsregierung gemacht worden. Seit 2016 ist er Staatspräsident. Ihm werden neben Gräueltaten an Zivilisten und Mord an politischen Gegnern auch Geldwäsche und Beteiligung am Organhandel nachgesagt.

Auch Waffenbruder Haradinaj geht ein Ruf wie Donnerhall voraus. Ihn hatte ein Bündnis radikaler Parteien einstiger UCK-Kommandeure, das 2017 bei den Parlamentswahlen 35 Prozent der Stimmen einsackte, auf den Chefsessel im Regierungspalast von Pristina gehievt. Direkt von der Anklagebank in Den Haag. Dort war Haradinaj wegen Mangels an Beweisen und weil eingeschüchterte Kronzeugen ihre Aussagen zurücknahmen, kurz zuvor freigesprochen worden. Beide, Thaci und Haradinaj, versorgen ihre Getreuen auch gern mit einträglichen Posten, obwohl diesen oft die Qualifikation fehlt. So leitet Ex-UCK-Kommandant Naser Salje seit kurzem die staatliche Eigentums-Agentur. Und 40 000 angebliche Kriegsveteranen beziehen eine UCK-Rente, obwohl die Milizen in ihren besten Zeiten 1999 nicht einmal halb so viel Kämpfer hatte.

34 Prozent der Bevölkerung leben dafür unterhalb der Armutsgrenze. Jeder Dritte ist arbeitslos, bei Jugendlichen unter 25 sogar jeder Zweite. Löhne und Renten liegen deutlich unter den - nicht gerade üppigen - der anderen Westbalkanstaaten, bei Bildung und Gesundheit gehört die Region zu den Schlusslichtern in Europa. Medien führt der Staat an der kurzen Leine, ethnische und religiöse Minderheiten sind faktisch weitgehend rechtlos. Nur über die türkische Minderheit hält Präsident Recep Tayyip Erdoğan schützend die Hand.

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