LINKE trainiert für Lagerwahlkampf

Thüringer Landesverband beschließt Programm und hofft auf Fortsetzung von Rot-Rot-Grün

  • Sebastian Haak, Gera
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Kultur- und Kongresszentrum Gera fällt das S-Wort, als der Programmparteitag der Thüringer LINKEN gerade erst so richtig begonnen hat. Dieser mitten in der Stadt gelegene Tagungsort in Ostthüringen hat den Charme der DDR konserviert. Etwas Ähnliches ist bald 30 Jahre nach der Wende nur noch in ganz wenigen Orten zu finden. Im holzvertäfelten Saal, dessen Ränge mit schwerem braunen Stoff abgehängt sind, könnte unmittelbar vor diesem Parteitag »Ein Kessel Buntes« über die Bühne gegangen sein. Im Vorraum hängen dünne Stablampen von der Decke, die in dieser oder einer ähnlichen Form einst viele Ost-Kulturpaläste geziert haben.

Hier spricht Susanne Hennig-Wellsow vom Sozialismus; davon, dass die Thüringer LINKE - der sie als Partei- und Fraktionsvorsitzende vorsteht - sich auch im Landtagswahlkampf zu dieser Gesellschaftsutopie bekennt. »Wir sind eine sozialistische Partei. Und das bedeutet, dass wir natürlich die Eigentumsfrage in den Mittelpunkt stellen«, sagt sie am Samstag. Wenig später fügt Hennig-Wellsow hinzu, aus Sicht der LINKEN reiche es eben nicht, den Kapitalismus »Grün anzustreichen« oder ihn »etwas sozialer« zu machen. »Nein, der Kapitalismus ist das Grundübel.«

Freilich ist das die Rhetorik, die bei LINKE-Parteitagen immer dazu gehört und die bei den Delegierten ankommt; auch wenn diese Sätze die Männer und Frauen im Saal nun auch nicht von den Sitzen reißen. Vielleicht, weil sie diese schon so gut kennen.

Doch dass Hennig-Wellsow diesem Begriff, diesem Ansatz, dieser Idee nun einen so prominenten Platz gibt, hier und jetzt, hat doch eine ganz besondere Bedeutung. Weil dieser Parteitag zu mehr dient als zur innerparteilichen Selbstvergewisserung. Immerhin will die Thüringer LINKE bei diesem Treffen ihr Programm für die Landtagswahl beschließen. Den Menschen im Land also erklären, welches Politikangebot die Partei ihnen für die nächsten Jahre macht.

Aktuelle Umfragen sagen voraus, dass das rot-rot-grüne Regierungsbündnis unter Führung des LINKE-Politikers Bodo Ramelow bei der Wahl im Oktober seine Mehrheit im Erfurter Landtag verlieren wird. Doch bis dahin kann noch einiges passieren. Das Politikangebot der LINKEN wird letztlich mitentscheidend dafür sein, ob es am Ende für eine Fortsetzung von Rot-Rot-Grün reicht - oder nicht.

Das räumt Hennig-Wellsow unumwunden ein. Mit diesem Wahlprogramm, argumentiert sie während ihrer Rede im großen Saal, werde über die Zukunft Thüringens entschieden, weil sich damit entscheide, ob das Land in Zukunft von einer LINKE-geführten Koalition oder einem Bündnis aus CDU und AfD geführt werde. Womit endgültig klar ist, dass die Linkspartei sich in genau dem Lagerwahlkampf sieht, auf den sich die Partei schon bei ihrem Parteitag im Oktober in Weimar eingestellt hatte.

Hennig-Wellsow glaubt, wie auch viele andere LINKE im Freistaat und in Deutschland, den Beteuerungen der Thüringer CDU nicht, man werde nach der Landtagswahl keinerlei Kooperation mit der AfD eingehen. In Weimar hatte Hennig-Wellsow deshalb die Losung »Ramelow oder Barbarei!« ausgegeben. Auch in Gera ist sie allgegenwärtig. Dort liegen unter anderem Stoffbeutel aus, auf denen der Slogan gedruckt ist.

Wenn es um dieses Politikangebot geht, sind viele der Einzelprojekte, deren Umsetzung die LINKE den Wählern verspricht, schon bekannt geworden. Hennig-Wellsow wiederholt einige davon. Ihre Partei will die Spekulation mit Agrarflächen unmöglich machen sowie eine landeseigene Wohnungsbaugenossenschaft gründen, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Im Wahlprogramm, das am Sonntag nach langen Diskussionen beschlossen wird, finden sich weitere Forderungen. Die derzeit geplanten Personaleinsparungen bei Lehrern, Polizisten und Justiz sollen »überwunden«, mittelfristig Kindergartengebühren und Hortkosten abgeschafft und ein Modellprojekt zum Bedingungslosen Grundeinkommen in Thüringen auflegt werden.

Was aus Sicht der Thüringer LINKEN alles sehr viel mit Sozialismus zu tun hat. Wenn auch nicht mit dem DDR-Sozialismus, dessen Ästhetik in dem Geraer Gebäude noch erlebbar ist. Denn aus Sicht der Genossen um Hennig-Wellsow folgen die im Wahlprogramm aufgelisteten Einzelprojekte der sozialistischen Idee. Hennig-Wellsow formuliert das so: »Ich spreche von sozialistischer Politik, weil wir nicht lediglich die schlimmsten Auswüchse des Kapitalismus - von der Spekulation mit Wohnraum über Kinderarmut bis hin zur Klimakatastrophe - korrigieren wollen. Wir wollen eine Gesellschaft, die solche Auswüchse gar nicht erst produziert.« Sie meint: Jedes der versprochenen Projekte ist für die LINKE ein Thüringer Baustein hin zu einer neuen Gesellschaftsordnung - was die Partei auch im Landtagswahlkampf nicht verhehlen will.

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