Vom Gemeinwohl provoziert

Uwe Kalbe über die Enteignungsdebatte in Berlin

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.

In Berlin geschieht Ungeheuerliches. Die helfende Hand der Linkspartei im Rücken, der ja einige so Einiges an Umsturzfantasien zutrauen, werben Bürger per Volksbegehren für die Enteignung eines in Verruf geratenen Wohnungsunternehmens. Schleicht hier eine Revolution per Unterschriftenliste heran? Schrille Reaktionen kapitalnaher Parteien und Vereine lassen dies fast glauben. Man solle Artikel 15 und damit den »Sozialismus aus dem Grundgesetz« streichen, fordert nun FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sogar. Zu erkennen ist, dass zumindest die Gegenseite des zugrunde liegenden Gesellschaftskonflikts keine Minute zögern würde, auch die letzten Register zu ziehen, um ihre Pfründe zu sichern.

Enteignung? Tagtäglich gehen Unternehmen zugrunde, ohne dass jemand zu ihrer Verteidigung ruft. Der Kannibalismus des Marktes ficht niemanden an; es ist das Motiv des Gemeinwohls, das die jetzige Enteignungsdebatte antreibt und die FDP auf die Palme bringt. Tatsächlich lässt das Grundgesetz die Frage nach der Wirtschaftsordnung in Deutschland offen. Das hat dem Kapitalismus bisher nicht geschadet. Doch Zweifel an seiner Allmacht auszumerzen, scheint der FDP die Gelegenheit günstig. Über die Gegenseite ist solche Konsequenz noch längst nicht vorherzusagen. Denn auch wenn die Bürgerinitiative von Mut wie Kreativität zeugt, weil mit der Eigentumsdebatte tatsächlich eine Systemfrage aufgerufen ist - ob die öffentliche Hand tatsächlich Lotse aus dem Wohnungs- und Mietennotstand wäre, hat sie noch nicht bewiesen. Und im Streit um die im Enteignungsfall anstehende Entschädigung lauert Glaubwürdigkeitsgefahr.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal