Räumungen in Marxloh: In vier Stunden vertrieben

Die Stadt Duisburg vertreibt mit Hilfe der »Task Force Schrottimmobilien« nach anderthalb Jahren wieder Roma aus ihren Wohnungen.

  • Dennis Pesch
  • Lesedauer: 4 Min.

»Hier sitzen die eigentlichen Verbrecher«, ruft Sylvia Brennemann von der Initiative Marxloher Nachbarn als sie am vergangenen Donnerstag vor dem Duisburger Rathaus steht. Rund 70 Menschen sind zu einer spontanen Kundgebung zusammen gekommen, um gegen die Räumung von bis zu 150 Menschen in der Duisburger Rudolfstraße zu protestieren. Die sogenannte »Task Force Schrottimmobilien« leiherte am Mittwochmorgen spontan Zwangsräumungen an. Der Zusammenschluss aus unterschiedlichen staatlichen Behörden wie Feuerwehr, Polizei, Ordnungsamt, Finanzamt, Jugendamt, Kindergeldkasse und Jobcenter teilte den Bewohnern um etwa 10 Uhr mit, dass sie vier Stunden Zeit hätten ihre Sachen zu packen.

Der überwiegende Teil der Betroffenen sind Zuwanderer aus den EU-Staaten Bulgarien und Rumänien, die meisten von ihnen Roma. 2015 hatte der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD) im Zuge der zahlenmäßig großen Aufnahme von unter anderem syrischen Geflüchteten bei einer Flüchtlingskonferenz von SPD-Kommunalpolitikern in Berlin gesagt: »Ich hätte gerne das Doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte.« Dieser Ansage ließ Link Taten folgen. Brennemann erlebte schon vor anderthalb Jahren wie die Task Force in der Rudolfstraße versuchte die Häuser zu räumen. Dank guter Vernetzung mit den Betroffenen verhinderten sie die Räumung damals.

Als Grund für die Räumungen hält für die Stadt derzeit der Brandschutz her: »Aufgrund von eklatanten brandschutztechnischen Mängeln sowie akuter Brandgefahr wegen massiver Manipulation an Stromzählern und unsachgemäßer Verkabelungen in den Häusern musste eine sofortige Nutzungsuntersagung für alle vorgenannten Gebäude ausgesprochen werden«, erklärte Stadtsprecherin Anja Kopka. Es habe konkrete Gefährdung für »Leib und Leben« bestanden. Brennemann und die Betroffenen bestreiten, dass das noch der Fall ist. Nach dem letzten Räumungsversuch vor anderthalb Jahren installierten sie selbst Rauchmelder in allen Wohnungen, räumten Keller und Fluchtwege frei in den Häusern frei, reparierten die Verkabelungen.

Die Vermieter, die eigentlich dafür verantwortlich sind, wurden trotz der städtischen Task Force nicht aktiv. Ebenfalls vor Ort war Baris Eren, ein Unterstützer der Betroffenen. »Von der Task Force war erstmal niemand gesprächsbereit, sie wollten gar keine Gründe nennen, erst mit Nachdruck haben sie dann den Brandschutz genannt«, erinnert er sich. Aus seiner Sicht und auch aus der Brennemanns verfolgt die Stadt eine rassistische Vertreibungspolitik: »Das haben sie letztendlich teilweise auch geschafft«, resümiert Eren.

Offenbar aus der Befürchtung heraus, die Anwohner könnten eine erneute Räumung verhindern, rückte die Task Force zur Zwangsräumung gleich mit einer Hundertschaft an, wie Eren berichtet: »Sie wollten die Menschen einschüchtern und durch die Polizeipräsenz die Solidarität unterbinden.« Dabei sollen sich schreckliche Szenen vor und in den Wohnhäusern abgespielt haben: »Ich habe gesehen wie Familien schockiert versucht haben, alles in Tüten, Reisekoffern und Taschen zusammen zu packen. Die Menschen hatten Angst. Viele Kinder, die nach der Schule nach Hause gekommen sind, haben plötzlich ihre Eltern auf der Straße weinen sehen. Die Situation war dramatisch, traurig, menschenverachtend«, sagt er.

Die Stadt Duisburg stellte den Betroffenen eine Notunterkunft im Duisburger Stadtteil Neumühl zur Verfügung. Der Stadtteil ist bekannt für sein Potenzial bei rechtsradikalen Mobilisierungen. 29,7 Prozent der Zweitstimmen bei der Bundestagswahl entfielen hier auf die AfD, sie wurde stärkste Kraft. Auch die Nähe zur NPD scheuen die Anwohner hier nicht, sie demonstrierten mehrfach Seite an Seite gegen eine zentrale Landesunterbringungsstelle für Geflüchtete. Eren berichtete auch, dass die Betroffenen kaum eine Möglichkeit hatten zur Unterkunft zu kommen: »Die wussten überhaupt nicht wie die dahin kommen, sie hatten teilweise keine Autos und keine Tickets, um mit der Bahn dahin zu fahren. Als einige dahin gefahren sind, standen wir auch erstmal anderthalb Stunden vor verschlossenen Türen.« Die Strategie der Stadt geht zudem teilweise auf. Manche der Betroffenen sind nach der Räumung einfach verschwunden, waren weder an der Unterkunft aufzufinden, noch an anderen Orten.

Brennemann hat die Unterkunft zudem selbst schon einmal vor einigen Jahren besichtigen dürfen: »Weil die Unterkunft in so einem dermaßen schlechten Zusatnd war, hat man Geflüchtete dort irgendwann nicht mehr untergebracht«, erinnert sie sich. »Da fallen die Wandplatten ab, alles ist verdreckt und in einem katastrophalen Zustand«. Sie spricht davon, dass die Betroffenen »in Angst und Schrecken versetzt und hochgradig traumatisiert« seien und beklagt auch, dass die Polizei körperlich gegen die Betroffenen und protestierenden Anwohner vorgegangen sei: »Wir wurden geschubst und geprügelt.« Brennemann ist sich sicher: »Das ist das Teil einer Strategie die Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien zu vertreiben.« Die Stadt Duisburg verspricht hingegen, dass die Gebäude wieder freigegeben und bewohnt würden »sofern sämtliche brandschutztechnische Mängel seitens der Eigentümer beseitigt worden sind.« Ob die Task Force nun die Eigentümer unter Druck setzen wird und wie die Stadt das realisieren will, hat sie bislang nicht beantwortet.

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