Ende der Flucht, Beginn des Tauziehens

Markus Drescher über die Festnahme von Julian Assange

Für die einen ist er wegen der Enthüllungsplattform Wikileaks ein Held, für andere ein mutmaßlicher Vergewaltiger, unsympathischer Selbstdarsteller und Wahlhelfer Donald Trumps, weil Wikileaks tausende E-Mails des Teams von Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton veröffentlicht hatte. Was Julian Assange in jedem Fall ist: ein Mann, der sich nun dem stellen muss, vor dem er vor gut sieben Jahren in die ecuadorianische Botschaft floh. Ein Mann, der sich Freiheit mit Unfreiheit erkaufte. Und am Ende doch erleben muss, dass die Justiz nicht gewillt ist, seine Rechnung offenzulassen.

Mit seiner Festnahme dürfte nun nicht nur ein juristisches Tauziehen begonnen haben, sondern auch der Kampf um die Deutungshoheit. Verdienste und Verfehlungen, Verklärung und Verteufelung. Die Aufarbeitung des Falls Assange wird lautstark, emotional, polarisierend. Und am Ende wie so vieles heutzutage eine Glaubensfrage.

Der umstrittene »Geheimdienst des Volkes«
Wikileaks macht seit einem Jahrzehnt von sich Reden - erstmals sorgte die Plattform mit dem Video eines US-Kampfeinsatzes in Irak für Aufsehen

Alles in allem wohl keine guten Voraussetzungen für faire und nüchterne juristische Bewertungen der mutmaßlichen Straftaten. Auf die bei allem Augenmerk auf den Wikileaksgründer, die Enthüllungsplattform und die drohende Auslieferung in die USA, im übrigen auch die schwedischen Frauen ein Anrecht haben, die Assange sexuelle Gewalt vorwarfen. Bei aller politischen Symbolkraft, mit der der Fall aufgeladen wird, im Sinne einer rechtsstaatlichen Aufarbeitung sollte dieser Aspekt nicht zur Randnotiz degradiert werden.

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