Soziale Wohnungspolitik statt populistische Nebelkerze

Die geforderte Enteignung von Wohnungskonzernen ist kein adäquates Instrument gegen die Mietenexplosion

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 2 Min.

Kaum eine Homeparty in Berlin, auf der nicht diese Fragen diskutiert werden: Wie viel Miete zahlst du hier pro Quadratmeter? Weißt du von freien Wohnungen im Kiez? Hast du einen Tipp, wo ich eine bezahlbare Bleibe für mich und meine Freundin finden kann? Die Themen Miete und Wohnen brennen den Berlinern und allen, die in die wachsende Metropole ziehen möchten, auf den Nägeln.

Viele Menschen fürchten, durch horrend hohe Mieten aus ihren Wohnungen verdrängt zu werden oder keine bezahlbare Wohnung in ihrem angestammten Kiez zu finden, sollte sich einmal die Familiensituation ändern. Der Berliner Wohnungsmarkt ist angespannt, die Sorgen und Nöte der Menschen sind ebenso real wie die Wut, die viele Mieter insbesondere auf große Vermieter mit ihrem oftmals unsozialen Geschäftsgebaren entwickelt haben. In dieser aufgeheizten Situation muss es Aufgabe der Politik sein, den Menschen reinen Wein einzuschenken, um Antworten auf Wohnungsnot und Mietenexplosion geben zu können. Dazu gehört die Einsicht: Nur mit dem verstärkten Neubau von Wohnungen können gerade auch für untere Einkommensschichten dauerhaft bezahlbare Mieten gesichert werden. Bauen, bauen, bauen muss das Motto im Stadtentwicklungssenat lauten. Doch das tut es nicht. Die Neubauzahlen bleiben hinter dem Bedarf zurück, die Genossenschaften betteln geradezu um erschwingliches Bauland.

Pro: Enteignen
Die Sozialisierung von Wohnraum wäre der Weg, um Hunderttausende Wohnungen, von denen viele noch vergleichsweise günstig sind, im leistbaren Segment zu halten, findet Nicolas Šustr.

Die Stadtentwicklungssenatorin hat sich dem Ziel der Enteignungskampagne verschrieben. Wohnungskonzerne mit der willkürlich gesetzten Grenze von mehr als 3000 Wohnungen sollen mit Entschädigung vergesellschaftet werden. Kostenpunkt: rund 36 Milliarden Euro. Eine astronomisch hohe Summe, mit der nicht eine einzige Wohnung neu entsteht, die stattdessen dringend benötigte Ressourcen für den Neubau und den Ankauf von Bauland verpulvert. Um es deutlich zu sagen: Die geforderte Enteignung ist kein adäquates Instrument gegen die Mietenexplosion, sondern eine populistische Nebelkerze, die die Situation für die große Mehrheit der Berliner nicht verbessert. Von dem für die Enteignung vorgesehenen Bestand ist der Großteil vermietet. Nutznießer würden lediglich die Mieter dieser Wohnungen sein, deren Mieten langsam steigen - wobei auch dies angesichts von Folgeinvestitionen fraglich erscheint. Eine soziale Wohnungspolitik für die Mehrheit der Stadt setzt auf Neubau und die Regulierung von Mieten in besonders angespannten Stadtlagen.

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