Keine Entschädigung für falsche Abschiebehaft

Der Bundesgerichtshof hat die Klage eines Afghanen abgewiesen, dessen Haft rechtswidrig war

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Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die wegen einer Abschiebehaft von einem afghanischen Flüchtling gegen das Land Bayern und die Bundesrepublik erhobene Entschädigungsklage abgewiesen. Der BGH kippte am Donnerstag ein Urteil, wonach Bayern ihm 810 Euro zahlen sollte. Der Mann hatte vom Land und der Bundesrepublik wegen einer als rechtswidrig eingestuften Haft 2700 Euro verlangt.

Er berief sich dabei auf die Europäische Menschenrechtskonvention. Menschen, die unrechtmäßig in Haft saßen, haben nach Artikel 5 dieser Konvention Anspruch auf Schadenersatz.

Der Kläger war mit seiner Frau und seiner Tochter 2013 nach Deutschland gekommen. Er sollte in die Slowakei abgeschoben werden, weil er dort bereits einen Asylantrag gestellt hatte. Das Amtsgericht München ordnete Abschiebehaft an, worauf der Mann 27 Tage in Haft saß. Nachdem er Beschwerde einreichte, setzte das Landgericht München I den Vollzug aus und erklärte, dass die Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen sei. Die Auflagen gegen den Mann und seine Familie hätten ausgereicht.

Der Afghane forderte deshalb von Bayern und der Bundesrepublik eine Entschädigung von 100 Euro je Hafttag und damit insgesamt 2700 Euro. Das Landgericht verurteilte Bayern zur Zahlung von 30 Euro je Tag und damit zu 810 Euro. Die Klage gegen die Bundesrepublik wies das Gericht ab. Die Berufungen beider Seiten vor dem Oberlandesgericht hatten keinen Erfolg. Das Land Bayern und der Kläger legten deshalb Revision vor dem Bundesgerichtshof ein.

Der BGH wies nun die Revision des Klägers ab, die sich gegen die Entschädigungshöhe sowie die Abweisung der Klage gegen die Bundesrepublik richtete. Die Gerichte seien zutreffend davon ausgegangen, dass ihm gegenüber der Bundesrepublik kein Schadenersatzanspruch zustehe. Gerichte in Bayern hätten über die Haft entschieden, weshalb das Land verantwortlich sei. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass die Bundespolizei Haftanträge gestellt habe.

Auf die Revision des Landes Bayern wies der BGH die Klage des Manns insgesamt ab. Das Oberlandesgericht sei im Berufungsverfahren zu Unrecht davon ausgegangen, dass es bei der Prüfung der Haftung des Landes an die Entscheidung des Landgerichts zur Rechtswidrigkeit der Abschiebehaft gebunden sei. Das Urteil könne keine Bindungswirkung für einen Schadenersatzprozess entfalten, weil das beklagte Land Bayern an dem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei.

Der BGH prüfte deshalb, ob die vom Amtsgericht München angeordnete Abschiebehaft gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstieß. Dies verneinten die Bundesrichter. Die der Entscheidung zugrunde liegende Prognose sei nicht zu beanstanden. Das Gericht sei von der Gefahr ausgegangen, dass sich der Mann nicht freiwillig in die Slowakei abschieben lasse und eine Haft deshalb nötig sei. Diese Annahme sei nicht als rechtswidrig zu bewerten, entschied der BGH.

Der Mann hatte auch einen Verstoß gegen das sogenannte Trennungsgebot geltend gemacht. Nach EU-Recht dürfen Abschiebehäftlinge nicht zusammen mit Straftätern in normalen Gefängnissen untergebracht werden. Daraus ergäben sich aber keine Entschädigungsansprüche nach der Menschenrechtskonvention, entschieden die Richter. Dabei gehe es allein um die Rechtmäßigkeit der Haft, nicht um die Haftbedingungen.

Mit Blick auf das Karlsruher Verfahren forderte der Deutsche Anwaltverein eine Anhebung der gängigen Pauschalen auf mindestens 100 Euro pro Hafttag. Zivilgerichte zahlten nach dem Reiserecht sogar für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit 75 Euro pro Tag, so die Kritik.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will Ausreisepflichtige künftig leichter bis zu ihrer Abschiebung in Haft nehmen können. Sein Gesetzentwurf wurde am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen. Agenturen/nd

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