Werbung

Schön gefärbt

Uwe Kalbe über die Ignoranz von Politik und Wirtschaft gegenüber dem Osten

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.

Das Bild von Ostdeutschland den politischen Vorgaben anzupassen, ist regelmäßige Übung der Politik. So schwärmt die Bundesregierung in den Berichten zum Stand der deutschen Einheit seit Jahren von den Aufholleistungen des Ostens, obwohl sie jedes Mal gleichzeitig einräumen muss, dass Daten und Fakten eine andere Sprache sprechen. Ein positives Bild liegt offenkundig auch im Sinne des Bundesverbands der Industrie BDI.

Der lobt den rasanten Fortschritt von Einkommen und Produktivität im Osten, obwohl beides weit hinter dem Westen zurückbleibt. Als ob die gesellschaftliche Brisanz nicht auf der Hand läge, die die anhaltenden Unterschiede der Lebensverhältnisse im Osten in sich bergen. Sie sind zuverlässige Quelle für die anhaltende Frustration, die sich seit 30 Jahren immer wieder erneuert - wofür sogar zweifelhafte charakterliche Anlagen der Ostdeutschen lieber bemüht werden als die Fakten.

Doch ein Wunder ist das freudige Urteil der Industrie nicht. Sie war ab 1990 Nutznießer des Niedergangs der ostdeutschen Wirtschaft, deren Märkte und - wo vorhanden - Wettbewerbsfähigkeit mit der Wirtschafts- und Währungsunion kalt geopfert wurden. Eine Badekur für die Wirtschaft West. So gesehen, ist die Praxis des Schönfärbens den Älteren im Osten zwar als gängige Praxis in der DDR noch in Erinnerung, relativiert aber gerade deshalb auch die eifrigen Urteile der politischen Klasse über den »Unrechtsstaat«.

- Anzeige -

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.