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Missmanagement und Wildwuchs

Was der Blick auf die finanzielle Bilanz über die Arbeit der Fußballvereine und Berater verrät

  • Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Schatzsucher könnten demnächst auf die Idee kommen, am Mittellandkanal in Sichtweite der werkseigenen Arena nach einem versunkenen Tresor zu fahnden. Irgendwo müsste sich doch ein Geldspeicher finden lassen, in dem die VfL Wolfsburg Fußball GmbH die vielen Millionen Euro vermutlich leichter hätte versenken können, statt sie an seine Bundesliga-Fußballer auszuschütten. Das absurde Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag, immer mal wieder vermutet, ist nun innerhalb des deutschen Profifußballs schwarz auf weiß belegt. Am Mittwoch veröffentlichte die Deutsche Fußball Liga die Finanzkennzahlen ihrer 36 Klubs.

In der Saison 2017/2018 stemmte der Werksverein unter dem VW-Dach einen Personalaufwand von sage und schreibe 127,8 Millionen Euro, von denen rund 100 Millionen an den Profikader flossen. Damit hätten die Niedersachsen eigentlich Dritter werden müssen, denn auf diesem Sektor gaben nur Borussia Dortmund (186,7) und natürlich Bayern München (315) mehr aus, dessen Dauerabonnement auf die Deutsche Meisterschaft aufgrund des gewaltigen finanziellen Vorsprung leicht erklärbar ist. Heraus kam in besagter Spielzeit aber nur der drittletzte Rang - und die zweite Rettung in der Relegation. »Uns ist bewusst, dass diese Zahl nicht gering ist und nicht einhergegangen ist mit dem sportlichen Erfolg. Wir hatten einen Kader, der für einen Relegationsplatz zu teuer war«, teilte der für Finanzen zuständige Geschäftsführer Tim Schumacher mit. Unter dem Strich stand auch noch ein negatives Jahresergebnis von 19,7 Millionen Euro, für das der VW-Konzern einstehen musste. Inzwischen redet Schumacher von einer »wirtschaftlichen Konsolidierung«, die eingesetzt habe.

Das Eingeständnis ist Folge einer »zusätzlichen Transparenz«, die sich der deutsche Profifußball selbst verordnet hat. Auf der Mitgliederversammlung Ende vergangenen Jahres sprachen sich die Vereine mit einer Zweidrittelmehrheit dafür aus, die relevanten Zahlen (Bilanzsumme, Eigenkapital, Verbindlichkeiten, Jahresergebnis) preiszugeben, die sich auf die Spielzeit 2017/2018 oder das Kalenderjahr 2018 beziehen. Klubs wie RasenBallsport Leipzig hätten am liebsten weiterhin ein Geheimnis daraus gemacht. Leipzigs Vorstandschef Oliver Mintzlaff bekräftigte erst kürzlich, dass er keinen Sinn darin erkenne, »jeden einzelnen Posten zu kommunizieren.«

Nun kann jeder erkennen, dass die diesjährige Qualifikation für die Champions League in Leverkusen und Leipzig eben auch mit ordentlichen Gehältern erkauft sind. Der Personalaufwand von 110 Millionen Euro unter dem Bayer-Kreuz (2018) beziehungsweise 105 Millionen in der Red-Bull-Welt (2017/2018) dürften sich in der abgelaufenen Saison weiter erhöht haben. Die wird aber erst zum 30. Juni bilanziert. Nichtsdestotrotz haben die beiden fremd finanzierten Klubs viel besser gewirtschaftet als beispielsweise Schalke 04, das mit seinen 124,8 Millionen Euro Personalkosten eigentlich zu den besten Vier gehören müsste. Ein weiteres Beispiel für Missmanagement gibt der Absteiger VfB Stuttgart ab, der sich mit seinen 83,7 Millionen für Gehälter wirtschaftlich in der oberen Tabellenhälfte bewegt hat.

Erstaunlich ist, was die Klubs an Beraterprovisionen ausgeben. Auch das wird zum ersten Mal im Detail aufgeschlüsselt. Hier führt Borussia Dortmund mit 40,9 Millionen deutlich. Bei der umfangreichen Shoppingtour im Sommer 2017 mit den Verpflichtungen von Ömer Toprak, Jeremy Toljan, Maximilian Philipp, Jadon Sancho, Andrej Jarmolenko oder Manuel Akanji zahlte der BVB allein an Agentenhonorar mehr als der SC Freiburg für all seine Angestellten. Auch von Bayer Leverkusen (22,6), Bayern München (22,3) und VfL Wolfsburg (21,6) konnten die Berater prima leben, die von den 18 Erstligisten insgesamt annähernd 200 Millionen Euro abgezweigt haben. Und niemand scheint gewillt, dem Wildwuchs dieser Branche einen Riegel vorzuschieben.

Die Pflicht zur Offenlegung betraf nach dem UEFA-Reglement im Kontext des Financial Fairplay eigentlich nur die Teilnehmer an europäischen Klubwettbewerben. Nun sorgen alle Vereine für eine gewisse Vergleichbarkeit, wobei beim Personalaufwand zu berücksichtigen ist, dass der Posten Personalaufwand auch Mitarbeiter fürs Merchandising, Ticketing oder in den Tochterfirmen umfasst. Doch das Gros geht immer noch an die Spieler. Und so bildet das Gehaltsvolumen auch die Kenngröße für sportliche Schlagkraft, so dass alle Debatten künftig eine fundierte Grundlage erhalten. Und letztlich kann auch das Management beurteilt werden. In Wolfsburg sind die Verantwortlichen für ein überbezahltes Ensemble - Klaus Allofs und Olaf Rebbe - übrigens längst entlassen.

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