Ein Betriebsrat für Würth

Bei dem schwäbischen Mittelständler soll es erstmals eine echte Mitarbeitervertretung geben

  • Annika Grah, Künzelsau
  • Lesedauer: 3 Min.

Die IG Metall hofft angesichts der ersten Betriebsratswahl beim Werkzeughändler Würth auf einen Wechsel in der Arbeitnehmervertretung. »Es bringt nichts, wenn der Betriebsrat nur aus Mitgliedern des alten Vertrauensrates bestünde«, sagt Uwe Bauer, erster Bevollmächtigte der IG Metall in Schwäbisch Hall. Die erste Betriebsratswahl bei dem Familienunternehmen aus dem Nordosten Baden-Württembergs sei eine Kehrtwende. Bislang wurden die Mitarbeiter der Kerngesellschaft der Würth-Gruppe durch einen Vertrauensrat ohne jegliche verbriefte Rechte vertreten.

Im Gegensatz zu diesem hat der Betriebsrat gesetzliche Pflichten, wie über den Arbeitsschutz sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu wachen, aber auch Mitspracherechte bei Kündigungen. Am Montag bestimmten die Beschäftigten bei einer Versammlung mit 2000 Teilnehmern den Wahlvorstand für die erste Betriebsratswahl in der Firmengeschichte. Damit ist unausweichlich, dass die Adolf Würth GmbH & Co KG mit ihren knapp 7200 Beschäftigten erstmals einen Betriebsrat bekommt. »Ich war schon bei vielen Betriebsratsgründungen dabei. Das ist aber etwas anderes«, sagt Gewerkschafter Bauer.

Für die gesamte Würth-Gruppe arbeiten weltweit gut 77 000 Menschen, ein knappes Drittel davon in Deutschland. Der Chef der Gruppe, Robert Friedmann, betonte jüngst: In fast allen der 130 deutschen Firmen der Würth-Gruppe gebe es eine Mitarbeitervertretung - allerdings zählt er dazu auch Vertrauensräte. Betriebsräte finden sich nur in einigen Firmen der Gruppe - beispielsweise in übernommenen Unternehmen wie Hahn & Kolb, Uni Elektro, Fega & Schmitt; bei Würth Elektronik wurde 2016 ein Betriebsrat gewählt. In der Firmenzen-trale stand das bislang außer Frage - dort gab es nur den Vertrauensrat.

Solche alternativen Vertretungen würden häufig eingesetzt, um Betriebsratsgründungen abzuwenden, kritisiert Elmar Wigand vom Verein Aktion Arbeitsunrecht. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung weist auf Untersuchungen hin, laut denen es Initiativen zur Gründung eines Betriebsrates in Firmen, in denen die Eigner noch etwas zu sagen haben, schwer haben. Die Familie Würth, die im Hintergrund immer noch mitmischt, unterstützt die aktuelle Betriebsratswahl aber nach Angaben des Unternehmens.

Nach den Worten von IG Metaller Bauer ist die Gründung eines Betriebsrates bei dem deutschen Mutterunternehmen der Würth Gruppe schon seit einiger Zeit Thema. Er sieht Probleme etwa bei Arbeitszeiten, Pausen, aber auch beim Kündigungsschutz für ältere Mitarbeiter in der Logistik. 2012 trieb Firmenpatriarch Reinhold Würth die Mitarbeiter im Außendienst per Brandbrief an und drohte mit Kündigungen. Doch erst zuletzt nahm das Thema an Fahrt auf.

Grund sind interne Querelen. Eine Gruppe von Betriebsratsbefürwortern hatte ihre Pläne im Frühjahr öffentlich gemacht. Einem der Initiatoren, Daniel Hurlebaus, hatte das Unternehmen bereits mehrfach gekündigt. Würth wirft ihm einen schweren datenschutzrechtlichen Verstoß vor. Hurlebaus habe in Mails an Mitarbeiter für die Initiative geworben und darin Links zu Videos verschickt, die mit einem sogenannten Tracking-System verbunden gewesen seien. Auch gingen aus den verschickten Links Verbindungen zum »Zentrum Automobil« hervor, das es sich zum Ziel gesetzt habe, rechte Betriebsräte in Unternehmen zu fördern. Hurlebaus, selbst in der AfD aktiv, weist die Vorwürfe zurück. Der Streit wird vor dem Arbeitsgericht ausgefochten.

»In jedem Verein wird man mit der AfD konfrontiert«, sagt Tamer Ciftcioglu, einer seiner Mitstreiter. »Da muss man mit umgehen können.« Ciftcioglu hat selbst türkische Wurzeln und ist eigenen Angaben zufolge SPD-Anhänger. Ihm geht es um die Sache. »Für gewisse Dinge braucht es einen Betriebsrat«, sagt der Außendienstler, der selbst für das Gremium kandidieren will.

Auf Facebook äußern sich Nutzer, die sich als Würth-Mitarbeiter betiteln, gegenüber der Gruppe um Hurlebaus kritisch. Vor allem um den internen Querelen ein Ende zu setzen, hatten schließlich andere Würth-Mitarbeiter zu der Betriebsversammlung eingeladen. Sie wollen auch den Wahlvorstand stellen, der die Betriebsratswahl organisiert. »Diese Phase der Unsicherheit muss ein Ende haben«, begründeten sie den Schritt. dpa/nd

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