Mehr Pflege für die Pflege

Minister und Verbände skizzieren, wie sie den Notstand in Altenheimen beheben wollen

  • Alina Leimbach
  • Lesedauer: 4 Min.

Die ungeliebte GroKo, sie funktioniert in Teilen doch noch. In seltener Einmütigkeit stellte am Dienstag Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gemeinsam mit seinen SPD-Kolleg*innen, Arbeitsminister Hubertus Heil und Familienministerin Franziska Giffey, die Ergebnisse der »Konzertierten Aktion Pflege« vor. Das Ziel: den Pflegenotstand in Deutschland beenden.

Über elf Monate lang hatten Vertreter*innen von rund 50 Verbänden mit Sozial- und Gesundheitspolitiker*innen aus Bund und Ländern über die Verbesserung der Pflegestation in Deutschland diskutiert - und versucht, sich auf konkrete Lösungen zu einigen.

Und tatsächlich, am Ende des Prozesses steht zwar noch kein neues Gesetz, aber doch auf fast 200 Seiten gegossene Zusagen der verschiedenen Mitarbeitenden. Besonders die Altenpflege könnte von der Aktion unter Umständen schnell profitieren. Denn eines der Kernergebnisse der Konsultationen lautet: bessere Bezahlung für die dort arbeitenden Pflegekräfte.

Die Lage ist in dieser Branche besonders schlecht. Während vollzeitbeschäftigte Fachkräfte der Gesundheitspflege in Krankenhäusern gut 3340 Euro brutto im Monat verdienen, kamen Fachkräfte in der Altenpflege 2017 im Mittel nur auf rund 2740 Euro, wie eine von der gewerkschaftsnahen Böckler-Stiftung in Auftrag gegebene Studie anhand von Daten der Bundesagentur für Arbeit errechnete. Bei den unausgebildeten Altenpfleger*innen liegen die Löhne sogar noch niedriger, bei rund 1940 Euro pro Monat. Und diese Werte sind nur das Mittel: Die Abweichungen nach unten, gerade bei privaten Trägern, sind erheblich. Dort verdienen die angestellten Pflegekräfte noch einmal deutlich weniger.

Hier haben sich die Akteure, sowohl Beschäftigten- als auch Arbeitgebervertreter*innen, in der konzertierten Aktion Pflege für bessere Bezahlung geeinigt - und eine Mehrheit von ihnen sogar für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung eines Tarifvertrags für die Altenpflege ausgesprochen. Sprich: Der zuvor von den Tarifparteien ausgehandelte Tarifvertrag würde für alle Betriebe in der Branche gelten - egal ob privat, kommunal oder kirchlich. Derzeit gibt es nur einen Pflegemindestlohn, der bei gerade einmal 10,55 Euro pro Stunde im Osten und 11,06 Euro im Westen liegt.

Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen in der Branche wird schon länger diskutiert. Die Arbeiterwohlfahrt, der Arbeiter-Samariter-Bund und die Diakonischen Dienstgeber in Niedersachsen haben die Gründung eines Arbeitgeberverbands Altenpflege angekündigt, um in der Branche bessere Lohnstandards durchzusetzen.

Bislang fehlten aber wichtige Verbündete: die kirchlichen Träger. Da für sie das kirchliche Arbeitsrecht und somit Sonderbestimmungen gelten, hielten sie sich lange bedeckt. Doch nun scheint auch hier ein gangbarer Kompromiss gefunden zu sein: Sie sollen, so der Abschlussbericht, mit einem Arbeitnehmer*innen- und einem Arbeitgebervertreter in einer neu einzurichtenden Pflegekommission beteiligt sein. Die kirchlichen Träger unterstützen den Ansatz der Allgemeinverbindlichkeitserklärung unter der Prämisse, dass der Bedeutung des »kirchlichen Selbstbestimmungsrechts angemessen Rechnung getragen« werde. Insgesamt soll die Pflegekommission dauerhaft arbeiten und aus insgesamt acht Vertreter*innen bestehen, je zur Hälfte aus Arbeitgeber*innen und Beschäftigtenvertreter. Der essenzielle Satz lautet: »Stimmen paritätisch besetzte Kommissionen des kirchlichen Bereichs dem Antrag der Tarifvertragsparteien auf Erstreckung ihres Tarifvertrags zu, kann (..) der Tarifvertrag auf alle Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer erstreckt werden.«

Die Vertreterin der Diakonie, Vorständin Maria Loheide, sagte am Dienstag, die gefundenen Regelungen seien auch für die kirchlichen Verbände »ein guter und gangbarer Weg«. Sie betonte: »Es muss eine Aufwertung des Pflegeberufs geben und dafür ist es ganz wichtig, dass wir verbindliche Tarife bekommen.« Wenig überraschend lehnen Vertreter*innen der privaten Arbeitgeberverbände in der Pflege wie der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) die Allgemeinverbindlichkeitserklärung weiterhin ab. Der bpa will in diesem Fall notfalls Verfassungsbeschwerde einlegen. Überraschend dagegen ist, dass das Deutsche Rote Kreuz sich laut Abschlussbericht der Konzertierten Aktion ebenfalls gegen den Weg der Allgemeinverbindlichkeitserklärung ausgesprochen hat.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil kündigte an, noch im Sommer einen Gesetzentwurf zur Reform des Arbeitnehmerendsendegesetzes einzubringen. Auf dieser Grundlage können dann Tarifverträge für die gesamte Altenpflegebranche für allgemein verbindlich erklärt werden.

Über eine konkrete Höhe wurde am Dienstag nicht gesprochen. Die Dienstleistungsgesellschaft ver.di hatte allerdings bereits im Januar ihre Vorstellungen klar gemacht: Sie fordert für Pflegekräfte mit Ausbildung einen Einstiegsstundenlohn von 16 Euro und für ungelernte Einstiegskräfte 12,84 Euro - mindestens.

Wenn die Allgemeinverbindlichkeitserklärung noch scheitert, könnte auch ein zweiter Weg eingeschlagen werden: die Erhöhung des Pflegemindestlohns. Das würde allerdings wohl nur Pflegekräften mit besonders prekärem Einkommen eine Verbesserung bringen. Arbeitsminister Heil kündigte an, dass die Bundesregierung beide Wege gleichzeitig gehen werde. Allerdings appellierte Heil an die Beteiligten, sich für die tarifvertragliche Lösung einzusetzen: »Wir präferieren den ersten Weg. Unsere Bitte ist mitzuhelfen, dass wir diesen Weg gehen können. Als Gesetzgeber können wir nun dafür die Tür öffnen, und das werden wir tun.«

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