Kreistag kommt NPD entgegen

Lokalparlament im Erzgebirge will Ausschuss zugunsten eines Rechtsextremen vergrößern

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Für die NPD geht es im Erzgebirge bergab. 4,7 Prozent erhielt sie bei der Wahl des Kreistages im Jahr 2014; das reichte für vier Sitze. Als das Gremium vor einem Monat neu bestimmt wurde, brachten es die Rechtsextremen nur noch auf 2,2 Prozent und damit zwei der insgesamt 98 Mandate. Man kann das eine Pleite nennen.

Für die erste Sitzung des Kreistags diesen Mittwoch zeichnete sich indes ein Achtungserfolg für die gestutzte NPD ab. Unter Tagesordnungspunkt 11, der erst nach Redaktionsschluss dieser Seite aufgerufen wurde, schlug die Geschäftsstelle des Kreistags vor, die Satzung so zu ändern, dass der wichtige Kreis- und Finanzausschuss künftig mit 24 statt 18 Mitgliedern besetzt wird. Zur Begründung wird vage auf eine »breitere Repräsentation aller politischen Richtungen des Kreistages« verwiesen. Die Regionalzeitung »Freie Presse« wird konkreter: Auslöser für die Vergrößerung sei der Wunsch des NPD-Politikers Stefan Hartung gewesen, in dem Gremium mitzuwirken.

Hartung ist einer der wichtigsten Köpfe der extremen Rechten im Erzgebirge. Er saß ab 2009 im Gemeinderat von Bad Schlema und seit 2014 im Kreistag. In jenem Jahr erlangte er überregional Bekanntheit: als Organisator der Schneeberger »Lichtelläufe«, die zu den ersten flüchtlingsfeindlichen Proteste in Sachsen gehörten. In der Broschüre »Sachsen rechts unten 2019« des Kulturbüros Sachsen wird zudem geschildert, wie Hartung politischen Einfluss nicht nur als NPD-Politiker nimmt. Er ist etwa auch Chef des »Freigeist e.V.«, der unter dem Etikett eines Vereins den »diskursiven Rechtsruck« in der Gesellschaft voranzutreiben suche. Im August 2018 habe Hartung in der Funktion auf einer Kundgebung in Chemnitz mit dem Motto »Deutsch und stolz drauf« gesprochen – zehn Tage vor den rassistischen Ausschreitungen in der Stadt. Seiner Popularität sind diese Aktivitäten indes alles andere als abträglich. Bei der kürzlich erfolgten Wahl des ersten Oberbürgermeisters in der neu gebildeten Stadt Aue-Bad Schlema erhielt Hartung im ersten Wahlgang 19,1 und im zweiten 18,2 Prozent; damit lag er jeweils vor dem Bewerber der LINKEN. Bei der Wahl zum Kreistag stimmten 1414 Wähler für ihn.

Erzgebirgs-Landrat Frank Vogel, der auch Kreischef der CDU und Präsident des Sächsischen Landkreistags ist, verteidigt die Hartung nutzende Änderung der Satzung zur Vergrößerung des Ausschusses. Er sei »der Auffassung, dass eine Auseinandersetzung mit den Positionen der NPD nicht durch Ausgrenzung erfolgen« könne, zitiert ihn die »Freie Presse«. Auch die Chefs der Fraktionen hatten offenkundig keine Einwände, abgesehen von den Grünen, deren Chefin Ulrike Kahl erklärte, es sei Zeit, »klare Kante« zu zeigen. LINKE-Fraktionsvorsitzender Frank Dahms dagegen wird mit dem Satz zitiert: »Ausgrenzen bringt nichts.« Das stieß auf Widerspruch bei Rico Gebhardt, dem im Erzgebirge gebürtigen Spitzenkandidat der LINKEN bei der anstehenden Landtagswahl. »Das findet nicht unsere Zustimmung«, erklärte er auf Twitter. Das Argument, die NPD sei demokratisch gewählt, bedeute nicht, dass sie eine demokratische Partei sei. Gebhardt fügte hinzu: »Soll doch Hartung klagen!«

Eine solche Klage der NPD gab es bereits nach der Kreistagswahl 2009. Daran erinnert nicht nur Vogel, sondern auch sein Parteifreund Marco Wanderwitz, erzgebirgischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Gewählte Kreisräte hätten »das Recht, in Ausschüssen zu arbeiten«, twitterte er. Den Vorwurf des grünen Bundestagsabgeordneten Stephan Kühn, die CDU gehe »naiv und unreflektiert« mit Rechtsextremisten um, nannte er einen »durchsichtigen Versuch der Skandalisierung«.

Die Grünen im Erzgebirge merken indes an, die NPD habe damals nicht Recht bekommen. Tatsächlich entschied das Oberverwaltungsgericht in Bautzen 2011, dass es »keinen gleichheitswidrigen Ausschluss« der Kläger von der NPD aus den Ausschüssen gegeben habe – obwohl diese damals mit fünf Abgeordneten sogar noch Fraktionsstärke hatte. Dennoch sei sie »keine ... ansehnlich große Gruppe«, so das Gericht, das anmerkte, eine Berücksichtigung »sämtlicher kleinerer Parteien und Wählergruppen« mittels Vergrößerung der Ausschüsse bewirke, dass diese »nicht mehr handlungsfähig« seien. Gerügt wurde vom Gericht etwas anderes: eine »Überrepräsentation« der CDU. Diese hatte dafür gesorgt, dass sie in den Ausschüssen jeweils die Mehrheit hatte – trotz eines Wahlergebnisses von damals »nur« 44 Prozent.

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