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30.000 demonstrieren für Seenotrettung im Mittelmeer

Demonstranten: »Menschen sind keine Amazon-Retouren!«

  • Lesedauer: 4 Min.

Frankfurt a.M. Mehrere Tausend Menschen haben am Sonnabend in Deutschland für eine ungehinderte Seenotrettung im Mittelmeer demonstriert. Europaweit seien es in über 90 Städten und sechs Ländern rund 30.000 Demonstranten gewesen, der Schwerpunkt habe in Deutschland gelegen, so die Veranstalter. In einigen Städten waren die Demonstrationen bis in den späten Abend geplant.

»Seebrücke« hatte in sechs Ländern zu Demonstrationen für die Rechte von Geflüchteten aufgerufen. Unterdessen hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in einem am Samstag bekannt gewordenen Brief an seinen italienischen Kollegen Matteo Salvini appelliert, seine Haltung, die italienischen Häfen nicht öffnen zu wollen, zu überdenken. Die Krise im Mittelmeer müsse beendet werden.

In Berlin demonstrierten mehrere Tausend Menschen gegen die Kriminalisierung von zivilen Seenotrettern. Nach Angaben der Bewegung »Seebrücke« beteiligten sich bis zu 5.500 Menschen bei dem Demonstrationszug durch das Regierungsviertel. Die Polizei sprach auf Anfrage von »gut 2.000« Teilnehmern. Sprecher forderten die Bundesregierung unter anderem auf, »bis auf weiteres die Aufnahme aller Menschen, die über das zentrale Mittelmeer fliehen müssen, verbindlich zuzusagen«.

In Hamburg gingen mehr als 3.500 Menschen für eine unbehinderte Seenotrettung auf die Straße. Sie demonstrierten für die Freigabe des Rettungsschiffs »Sea-Watch 3« und sichere Fluchtwege. »Man darf Menschen nicht wie Amazon-Retouren hin- und herschicken«, sagte die Flüchtlingspastorin der Nordkirche, Dietlind Jochims. Außerdem sprach Kapitän Dariush Beigui, der in Italien wegen der Rettung Schiffbrüchiger mit dem Schiff »Iuventa« angeklagt ist. Ein Grußwort von Kapitänin Carola Rackete vom Band wurde laut bejubelt.

»Bisher hat die Bundesregierung die Aufnahme von Menschen, die aus
Seenot gerettet wurden immer wieder blockiert und verzögert«, so Seebrücken-Sprecherin Liza Pflaum. Obwohl mehrere Kommunen ihre Aufnahmebereitschaft erklärt hätten, habe Innenminister Seehofer mit einer Aufnahmezusage erst gewartet bis Kapitänin Carola Rackete in einer »absoluten Notlage« bereits in den Hafen in Lampedusa eingelaufen war, kritisiert die Aktivistin.

Tausende Menschen nahmen in Bayern an den Seebrücke-Demonstrationen teil. In mehr als einem Dutzend Städte fanden teils bis zum frühen Abend Veranstaltungen statt. In München riefen die Veranstalter nach eigenen Angaben die rund 2.000 Teilnehmer auf, sich für die Beteiligung der Landeshauptstadt am »Netzwerk Sicherer Hafen« starkzumachen. München »als drittgrößte Stadt und eine der reichsten Kommunen Deutschlands« solle Verantwortung übernehmen, hieß es in dem Aufruf.

In NRW kamen laut »Seebrücke« knapp 7.000 Teilnehmer zusammen. In Köln nahmen etwa 500 Menschen an einer Protestaktion vor dem italienischen Generalkonsulat teil. In Düsseldorf wurden 500, in Bonn und Bielefeld je 700 und in Detmold 400 Demonstranten gezählt. In Bonn nahmen 700 Menschen an der Aktion teil. Hier wurden von einer Rheinbrücke Blumen ins Wasser geworfen, um der Toten im Mittelmeer zu gedenken. In Düsseldorf erinnerten die Demonstranten am Ende ihrer Kundgebung in einer Schweigeminute an die im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge.

In Niedersachsen waren es nach vorläufigen Veranstalterzahlen 2.500 Demonstranten. In Bremen versammelten sich laut Polizei rund 1.000 Menschen unter dem Motto »Stoppt das Morden im Mittelmeer«. Für die Menschenrechte von Flüchtlingen demonstrierten im Südwesten mehrere Tausend Menschen, etwa in Tübingen und Ulm.

Für die unbehinderte Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer sind am Samstag auch in Hessen und in Rheinland-Pfalz Menschen auf die Straße gegangen. In Frankfurt am Main demonstrierten am frühen Abend rund 750 Menschen, wie die Polizei dem Evangelischen Pressedienst sagte.

»Wir brauchen dringend sichere Fluchtwege und Bewegungsfreiheit für alle, denn dann müssen Menschen gar nicht den gefährlichen Weg über das Mittelmeer wagen«, erklärte Seebrücken-Sprecherin Mareike Geiling.

Mit den Aktionen würdigten die Demonstranten auch den Einsatz der Kapitänin der »Sea-Watch 3«, Carola Rackete. Sie war mit 40 Flüchtlingen an Bord ohne Erlaubnis der italienischen Behörden in den Hafen der Mittelmeerinsel Lampedusa eingelaufen und festgenommen worden. Mittlerweile ist sie wieder auf freiem Fuß, muss sich aber weiter vor Gericht verantworten. Nach Angaben der Initiative »Seebrücke« ertrinkt jede sechste Person während des Fluchtversuchs über das Mittelmeer.

Die »Seebrücke« ist eine breite soziale Bewegung, die sich mit nach eigenen Angaben mehr als 100 Lokalgruppen bundesweit für sichere Fluchtwege und die kommunale Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen einsetzt. Seit Juni 2018 hätten sich bereits über 60 Städte und Gemeinden zu »Sicheren Häfen« erklärt, hieß es. epd/nd

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