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Flauschig, blutig, glücklich

Samuela Nickel schreddert die harmlose Bildsprache

  • Lesedauer: 2 Min.

Flauschige gesunde Küken, die mal unversehrt auf einer menschlichen Handfläche sitzen, sich zu viert aneinanderkuscheln, mal mit schwarzen Knopfaugen in die Kameralinse blinzeln. Diese Stockfotos sind die meist verwendeten zu dem Thema »Kükenschreddern«. Das heißt, wenn wir über eine nutzlose blutige Matschmasse lesen, die die Landwirtschaft in Deutschland in ihrem alltäglichen Geschäft mit einkalkuliert, sehen wir parallel dazu Bilder von lebendigen, gesunden Tierbabys, die wahrscheinlich nie ein Füßchen in die Legehennenzucht getan haben. Diese Küken sind zwar real, nur dürften sie nicht für den Inhalt der Berichterstattung stehen.

Theoretisch. In Wirklichkeit findet fehlleitende Bebilderung zuhauf statt - und mit ihr ein Mentaltransfer weg von der bewussten Realität zu einer imaginären besseren Welt. So wie bei den zahlreichen Milchtüten und Eierkartons, Fleischpaketen und Biosalamiverpackungen: Die gesunden Kühe, Hühner, Schweine, die da auf grünen Wiesen gezeigt werden, haben mit der Herkunft dieser »Produkte« nichts gemeinsam. Die hässliche, bei Käufer*innen ekelerregende Gegenwart in den Massenhaltungsställen, egal ob Bodenhaltung oder Biobauernhof, bleibt obskur und wird überdeckt vom Bild der lachenden Kuh. Wer so grinst, kann nicht gequält worden sein, wer so flauschig dreinblickt, wird bestimmt nicht geschreddert.

Die Bildsprache bei der Berichterstattung über ein barbarisches Verfahren wirkt konträr zum Inhalt des Textes. Dieser Widerspruch ist fatal: Über ein Urteil des Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu lesen, bleibt abstrakt, auch wenn darin das massenhafte Töten von Küken in der Legehennenzucht erwähnt wird. Aber wer kann sich tatsächlich vorstellen, wie das ist, außer denjenigen, die tagtäglich genau diese Lohnarbeit ausführen. Und ebendiese Lücke wissen viele Redaktionen nicht zu füllen. Schließlich gibt es von der Prozedur kaum Bildmaterial und dieses ist den Leser*innen kaum zumutbar. Der Text, der die Information - Zerfleischen von Küken - transportiert, bleibt der gleiche. Das Bild darüber aber entscheidet maßgeblich über die emotionale Einordnung und Weiterverarbeitung der gelesenen Information: Wenn ich von toten Tieren lese (sie kaufe), aber im selben Kontext glückliche lebendige Tiere sehe, bleibt der Affekt aus, das Gewissen bleibt ruhig.

2017 entschied der Europäische Gerichtshof, dass pflanzliche Produkte nicht »Käse«, »Butter« oder »Milch« heißen dürfen, denn die Bezeichnung sei »Milch«-Produkten vorbehalten, die aus der »normalen Eutersekretion« von Tieren gewonnen werden. Der Verwechslungsgefahr seitens der Verbraucher*innen soll so vorgebeugt werden. Um Verwechslungsgefahr vonseiten der Leser*innen vorzubeugen, wählen manche Medien auch andere Fotos, wenn es um Massentierhaltung geht: Bilder vom Protest gegen diese Prozedur, diese Realität.

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