Masernimpfung wird Pflicht

Auch das Gesetz zur Reform der Medizinischen Dienste der Krankenkassen vom Kabinett beschlossen

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit viel Rückenwind aus Teilen von Politik, Gesellschaft und Ärzteschaft brachte das Bundeskabinett am Mittwoch das Gesetz für eine Impfpflicht gegen Masern auf den Weg. Ab März 2020 müssen Eltern vor der Aufnahme ihrer Kinder in eine Kita oder Schule nachweisen, dass diese geimpft sind. Die Impfpflicht gilt auch für Tagesmütter und das Personal in Kitas, Schulen, in der Medizin und in Gemeinschaftseinrichtungen wie Flüchtlingsunterkünften. Bei Verstößen drohen Bußgelder bis zu 2500 Euro. Ungeimpfte Kinder dürfen nicht mehr in Kitas aufgenommen werden.

Kinder und Personal, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes im kommenden März schon in einer Kita, Schule oder Gemeinschaftseinrichtung sind, müssen die Impfung bis spätestens 31. Juli 2021 nachweisen. Erbracht werden kann der Nachweis durch den Impfausweis, das gelbe Kinderuntersuchungsheft oder durch ein ärztliches Attest, aus dem hervorgeht, dass man die Masern schon hatte. Das könnte vor allem für Erwachsene kompliziert werden, wenn sie diesen Nachweis nicht mehr erbringen können, denn dem entsprechenden Bluttest wird von medizinischer Seite so wenig zugetraut, dass hier eher zu einer wiederholten Impfung geraten wird.

Bei aller Zustimmung für den gesetzgeberischen Schritt - es gibt weiterhin Gegenstimmen, die eine Impfpflicht weder für angemessen noch für zielführend halten. Überzogen wird die Impfpflicht genannt angesichts der bereits recht hohen Durchimpfungsquoten bei Masern bei Vorschulkindern. Sie liegt im bundesweiten Durchschnitt bei 97,1 Prozent für die erste Impfung und bei 92,8 Prozent für die zweite Impfung.

Keine Lösung, so Kritiker, bietet das Gesetz zudem für Impflücken bei Erwachsenen ab 30 Jahren - von ihnen soll nicht einmal die Hälfte ausreichend immunisiert sein. Insofern begrüßen auch die Skeptiker die angestrebte Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in den Kommunen. Dieser sollte in die Lage versetzt werden, Impfungen mit gezielten Aktionen auch in Betrieben, Einkaufszentren oder kommunalen Einrichtungen anbieten zu können. Neben der Impfpflicht werden wiederholte Informationskampagnen als wirksames Mittel zur Erhöhung der Impfraten genannt.

In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 543 Fälle von Masernerkrankungen gemeldet, in den ersten Monaten dieses Jahres bereits mehr als 400. Jedoch zeigen sich die Fallzahlen seit Anfang der 2000er Jahre mit bestimmten Höchstwerten, die unregelmäßig alle zwei bis fünf Jahre auftreten. Bei diesen handelt es sich um 1000 bis leicht über 2000 Fälle. Man darf gespannt sein, wie sich das Bild in den Jahren nach Einführung der Impfpflicht verändert, zumal etwa die Hälfte der jährlich Erkrankten junge Erwachsene sind, von denen nur ein Teil der Impfpflicht unterliegt.

Von einer allgemeinen Impfmüdigkeit der Deutschen kann indes keine Rede sein, wenn man die Ausgaben der Krankenkassen für Impfstoffe betrachtet. So sind diese Ausgaben 2018 um 4,5 Prozent angestiegen, im ersten Quartal 2019 aber allein schon um 13,7 Prozent. Der Anstieg ist vor allem durch Mehrausgaben für Impfungen gegen Humane Papillomviren (HPV), Varicella Zoster (Gürtelrose) und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) begründet.

Nach dem Kabinett muss dem Gesetz zur Masernimpfpflicht nur noch der Bundestag zustimmen. Die Bundesregierung verabschiedete am Mittwoch ein weiteres Gesetz aus der Urheberschaft von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), nämlich das Reform der Medizinischen Dienste. Diese Institutionen, bisher den Krankenkassen zugeordnet, prüfen Anträge von Versicherten für bestimmte Leistungen, erstellen Gutachten und führen die Einstufung in die verschiedenen Pflegegrade durch. Der Medizinische Dienst soll nun als eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts direkt dem Gesundheitsministerium zugeordnet werden, seinem Verwaltungsrat sollen auch Vertreter von Patienten, Verbrauchern und der Ärzteschaft angehören.

Mit eben diesem Gesetz wird auch die Überprüfung von Krankenhausabrechnungen reformiert. Kliniken, die ordentlich abrechnen, sollen nun seltener überprüft werden. Hintergrund ist eine hohe Zahl von Prüfungen, die in den Kliniken Ressourcen binden. Wie nicht anders zu erwarten, fand das Gesetz ein geteiltes Echo. Von den Krankenkassen kam Kritik an dem Entwurf. Mit dem Gesetz »setzt die Bundesregierung den Kurs zur strategischen Schwächung der sozialen Selbstverwaltung in der Gesetzlichen Krankenversicherung fort«, erklärte der GKV-Spitzenverband. Kommentar S. 10

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