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Spanischer Geheimdienst in Erklärungsnot

Zeitung »Público« dokumentiert Kontakte zu Attentätern von Katalonien bis kurz vor den Anschlägen

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Der katalanische Regierungschef Quim Torra hat von Spanien eine sofortige Aufklärung und die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gefordert: »Das ist ein gravierender Skandal.« Torra meint die Enthüllungen der spanischen Onlinezeitung »Público« über Verwicklungen des spanischen Geheimdienstes CNI in die Anschläge vor knapp zwei Jahren in Barcelona und Cambrils. Torra fordert, dass »auf höchsten Ebenen die Verantwortlichkeiten« geklärt werden.

Schon einmal hatten die katalanischen Parteien im Madrider Parlament eine Untersuchung über die Hintergründe verlangt: als bekannt wurde, dass der Chef der islamistischen Terrorzelle, Abdelbaki Es Satty, ein Informant des Geheimdienstes war. Doch die regierenden Sozialdemokraten (PSOE) und die oppositionellen rechtsliberalen Bürger (Cs) lehnten dies genauso ab, wie die rechte Volkspartei (PP), in deren Regierungszeit (2011-2018) die Vorfälle liegen.

Die Daten und Dokumente, welche die »Público« nun veröffentlicht, sind erschreckend. Der Journalist Carlos Enrique Bayo zeigt auf, wie der CNI über einen toten Briefkasten im Internet mit Imam Es Satty über das Email-Konto adamperez27177@gmail.com kommunizierte. Nachrichten wurden nur Online im Postfach geschrieben, als Entwürfe abgelegt, aber nie verschickt. So konnte CNI und Es Satty über das Konto kommunizieren, ohne das ein Emailverkehr entstand. »ICH SEHE, DASS DU ZUGANG HAST, DU MUSST JETZT NUR EINE NACHRICHT WIE DIESEN ENTWURF SCHREIBEN UND ICH LESE ES. JETZT KANNST DU ANFANGEN, MIR SACHEN MITZUTEILEN. DANKE MEIN FREUND«, zeigt ein Screenshot des Kontos vom 24. Mai.

Einen Monat später, die Vorbereitung für ein Attentat in Barcelona liefen auf Hochtouren, fragt der CNI den Imam: »HAST DU MIR NICHTS ZU SAGEN ODER KANNST DU NICHT.« Geplant war, zwei Kleintransporter als Bomben zu benutzen. 100 mit Sprengstoff gefüllte Gasflaschen sollten darin im Zentrum Barcelonas und bei einem Spiel des FC Barcelona explodieren. Es sollte noch viel mehr Opfer als 2004 bei den Anschlägen auf vier Vorortzüge in Madrid mit 191 Toten geben. 500 Liter Aceton hatte die Truppe zur Herstellung von Acetonperoxid bestellt. Das ist ein beim IS beliebter Sprengstoff, der wegen seiner Gefährlichkeit von ihm als »Mutter des Teufels« bezeichnet wird.

Der Geheimdienst war live auch bei einer Fahrt eines Terroristen nach Freiburg im Breisgau dabei. Es solle »ein gebrauchter Subaru Impreza« gekauft werden. Mit einem Audi A3 waren zwei Terroristen kurz vor den Anschlägen noch in Paris. Akribisch listet der CNI auf, wo sie übernachten wollten, wo sie »21 Minuten« parkten, wo sie einkauften und welche falschen Namen sie benutzten.

Ihre Telefone wurden mindestens bis vier Tage vor den Anschlägen abgehört. »Publico weiß, dass der spanische Geheimdienst die Terroristen bis zum Tag des Anschlags auf den Ramblas« in Barcelona »überwacht und kontrolliert hat«, schreibt die Zeitung. Man wusste auch von Fahrten mit dem Audi A3 zur Bombenwerkstatt in Alcanar. Und dort flog Es Satty mit anderen am späten 16. August 2017 beim Bombenbau in die Luft. Das brachte den Rest der Zelle dazu, am Tag darauf mit einem der Kleintransporter durch den Fußgängerboulevard Ramblas in Barcelona zu rasen. Mit dem Audi versuchten andere das im Küstenort Cambrils. 16 Menschen wurden ermordet, darunter eine 51-jährige Deutsche.

»Público« weist auf den dubiosen Vorgang hin, dass am 18. August der Eintrag zu Es Satty in der Datenbank des Geheimdienstes gelöscht wurde. »Das ist nur in der Geheimdienstzentrale in Madrid möglich.« Doch erst am 21. August war über ein DNA-Test geklärt, wer in der Werkstatt ums Leben gekommen war. Auffällig war, dass der katalanischen Polizei alle Hinweise auf den Imam vorenthalten wurden. Die konnte trotzdem die Vorgänge schnell aufklären und geflohene Zellenmitglieder stellen. »Público« kündigt weitere Enthüllungen an.

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