Menschen, die auf Möwen starren

Bernd Zeller über eine komplizierte und eine einfache Methode für das Picknick am Strand

  • Bernd Zeller
  • Lesedauer: 4 Min.

Unser heutiger Bericht kommt noch gerade rechtzeitig zur Urlaubszeit, da er das Ergebnis einer Studie behandelt, die dafür relevant ist und jüngst veröffentlicht wurde. Man kennt es vom Strand, dass sich zwischen und über den Badegästen auch Möwen tummeln, die darauf aus sind, von den Nahrungsergänzungsmitteln aus den Tüten und von den Papptellern etwas zu entwenden. Darum haben Forscher Testreihen vorgenommen, um herauszufinden, was die Möwen davon abhalten könnte. Die Möwen anzustarren, veranlasst diese, es sich doch noch einmal zu überlegen und meistens lieber davon abzulassen, so das Ergebnis der Studie.

Das ist äußerst verblüffend, denn man hätte nicht erwartet, dass es den Möwen darauf ankommt, was die Menschen von ihnen denken.

Man kann davon ausgehen, dass die Möwen wiederum noch nicht so hoch entwickelt sind, dass sie zur Arbeitsteilung befähigt wären - eine lässt sich anstarren, während die anderen stibitzen. Ebenso wenig ist zu erwarten, dass ein Möwenbesitzer kommt und sagt: »Sie mag es nicht, angestarrt zu werden, verstehst du.«

Das Möwenanstarren ist zwar als probates Mittel empfohlen, jedoch unbestreitbar auf Dauer anstrengend. Die Möwe merkt es, wenn die Intensität des Anstarrens nachlässt, und die Zwecke, zu welchen man den Strand aufgesucht hat, drohen verfehlt zu werden. Es gilt zu Recht als unschicklich, am Strand zu starren. Es ist anderen Badegästen nicht immer sofort ersichtlich, dass es den Möwen gilt, die, wie die meisten Vögel, ein Federkleid tragen. Schlecht für die Augen ist es allemal, da es nur ohne Sonnenbrille so richtig funktioniert. Eine Studie, die darüber Auskunft gibt, ob die erwünschte Wirkung sich auch mittels einer Brille mit aufgemalten starrenden Augen erzielen ließe, steht noch aus.

Eine Lösung kann darin bestehen, professionelle Möwenanstarrer einzusetzen; dem Sicherheitsempfinden der Bevölkerung wäre dies gewiss äußerst zuträglich. Es wäre denkbar, dass Annegret Kramp-Karrenbauer oder Thorsten Schäfer-Gümbel demnächst einen Posten suchen, der ihren Fähigkeiten entspricht.

Soweit ersichtlich ist, können die Möwen dieses soziale Verhalten nur von den Menschen übernommen haben oder allenfalls noch von menschennahen Haustieren. Wir kennen das; wir sind eher bemüht, uns regelkonform zu benehmen, wenn wir angestarrt werden. Im Laden klauen wir nichts, wenn uns jemand anstarrt (das gilt auch für die Überwachungskamera), weil momentan oder später jemand auf den Bildschirm starren könnte. Es würde auch zu Anstarrungen kommen, wenn wir mit gestohlener Ware durch die Scanner am Ausgang gingen. Also klauen wir der Einfachheit halber gar nichts. Andererseits ist dies vielen von uns egal, und wenn die Möwen das mitkriegen, passen sie sich auch wieder an.

Andere Tiere sind da von vornherein gelassener. Wespen und Mücken lassen sich nicht durch Anstarren mäßigen; auch ein Bär unterlässt es, sein Verhalten zu ändern allein wegen Angestarrtwerdens. Die Evolution hat in diesem Bereich versagt, dies ist leider festzuhalten. Wildschweine könnten ihre Beliebtheit steigern, indem sie, wenigstens beim Aufenthalt in Städten, den Menschen etwas mehr Respekt und Aufmerksamkeit widmeten. Hier muss man allerdings einräumen, dass die Stadtbewohner es ihnen auch nicht vormachen.

Dies wiederum hängt mit einem gewohnheitsmäßigen Starren zusammen, nämlich auf das mobile Endgerät. Ein solches hat nicht nur einen höheren Unterhaltungswert als Möwen, sondern auch einen höheren als die anderen Leute, die meistens nur damit beschäftigt sind, auf ihre Handys zu starren. Es sollte möglich sein, sich Möwen auf das Smartphone herunterzuladen und sie auf der Straße anzustarren, so dass man am Strand nur das gespeicherte Anstarren ablaufen lässt, um die Möwe auf Distanz zu halten. Oder, wenn das alles nicht so richtig praktikabel ist: Man lässt seine seine Snacks nicht offen am Strand herumliegen lässt und beseitigt Reste beseitigt.

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