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Taktische Wähler retten der SPD den Sieg

LINKE verliert in Brandenburg 20.000 Wähler an den Koalitionspartner und fährt ihr schlechtestes Ergebnis ein

Jubel am Sonntagabend bei der Wahlparty der brandenburgischen SPD. Von Mai bis in den August hinein war die Partei in den Umfragen unter 20 Prozent gerutscht. Wenige Tage vor der Wahl lag die SPD wieder knapp darüber. Aber bei der ersten Hochrechnung um 18 Uhr waren es dann ungeahnte 27,5 Prozent. Das waren zwar weniger als die 31,9 Prozent bei der Landtagswahl 2014, aber mehr als geglaubt. Das war auch die erste Frage, die SPD-Generalsekretär Erik Stohn im rbb-Fernsehen beantworten sollte, ob er diese Trendwende noch erwartet hätte. »Natürlich haben wir daran geglaubt«, behauptete Stohn. Wie er aber übers ganze Gesicht strahlte, zeigte, dass dies nicht die ganze Wahrheit sein kann. »Wir haben einen ganz klaren Regierungsauftrag«, sagte Stohn noch. Das stimmt definitiv.

Für die Fortsetzung der rot-roten Koalition reicht es nicht, da die LINKE von 18,6 auf unter elf Prozent abstürzte und damit in etwa noch einmal so viel verlor wie bereits bei der Wahl 2014. Es sah aber danach aus, dass es knapp für eine rot-rot-grüne Koalition reichen könnte, abhängig auch davon, ob FDP und Freie Wähler in den Landtag einziehen oder nicht. Wenn es ihnen gelingt, sieht es für Rot-Rot-Grün nicht gut aus.

Für diesen Fall und auch prinzipiell brachte sich CDU-Spitzenkandidat Ingo Senftleben in Erinnerung. Er äußerte die Bereitschaft, »Gespräche zu führen, um eine stabile Regierung zu bilden«. Im Juni hatte Senftleben in Selbstüberschätzung den Fehler begangen, eine Koalition mit Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) auszuschließen. Da dachte Senftleben noch, er könne selbst Regierungschef werden. Es sah auch so aus, als könne er einem Sieg so nah kommen wie vor ihm kein anderer CDU-Spitzenkandidat in Brandenburg. Doch tatsächlich fährt der Landesverband sein schlechtestes Ergebnis ein. Als »Brückenbauer« hatte sich der gelernte Maurer Senftleben im Wahlkampf verkauft. Nun versucht er, die von ihm selbst abgerissene Brücke zur SPD neu zu bauen. Die Entscheidung über eine Koalition werde nicht im kleinen Zirkel in Potsdam getroffen, sondern in einem Mitgliederentscheid, erinnerte Senftleben noch. So ist es beschlossen.

Für die LINKE sprach Sozialministerin Susanna Karawanskij von einem »bitteren Ergebnis«. Schlechter hat die Partei nie abgeschnitten in Brandenburg. Selbst 1990 hatte sie wenigstens noch 13,4 Prozent erhalten, der Rekord waren 28 Prozent im Jahr 2004. Befragungen haben laut rbb ergeben, dass 70 Prozent der Brandenburger über die LINKE denken, diese habe »in der Landespolitik nichts bewegt«, und dass 53 Prozent meinen, die LINKE sehe »die Flüchtlinge viel zu positiv«.

»Dieses Ergebnis ist eine Katastrophe für uns«, gestand LINKE-Spitzenkandidat Sebastian Walter. »Ein Weiter-so kann es für uns nicht geben.« Walter bedauerte, dass zum 80. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs eine Partei wie die AfD in Brandenburg zweitstärkste Kraft werden konnte.

AfD-Frontmann Alexander Gauland frohlockte, seine Partei sei jetzt die große nationalkonservative Opposition in Brandenburg. 27 000 Wähler hat die AfD von der CDU abgezogen, je 11 000 von SPD und LINKE. 88 000 Bürger, die jetzt der AfD die Stimme gaben, waren im Jahr 2014 nicht zur Wahl gegangen. Die LINKE wiederum verlor 20 000 Wähler an die SPD, je 11 000 an die Grünen und an die AfD und 5000 an die Freien Wähler.

Die Grünen fielen nach ihrem Zwischenhoch wieder deutlich ab. Zeitweise hatten sie in den Umfragen ihr Ergebnis von 2014 - es waren damals 6,2 Prozent - fast verdreifacht. Jetzt liegen sie bei rund zehn Prozent. Doch Spitzenkandidatin Ursula Nonnemacher hob das Positive hervor: »Wir sind zweistellig. Das ist ein ganz tolles Signal.« Sie erinnerte: »Wir kommen von 6,2 Prozent.«

Ministerpräsident Woidke hob hervor, dass es dem Bundesland nie besser gegangen sei als in den vergangenen zehn Jahren unter der rot-roten Regierung. Es sei in dieser Zeit auch Vertrauen gewachsen zwischen den Koalitionspartnern. Insofern hätte Woidke nichts dagegen, weiter mit der Linkspartei und dazu einem dritten Partner zu regieren. Es sei aber die Frage, ob es reicht für eine solche Möglichkeit, gab der Ministerpräsident zu bedenken.

»Es war ein harter Wahlkampf«, sagte Woidke vor seinen Anhängern. Es gebe eine Partei, der die Brandenburger vertrauen, »und das ist nach wie vor die SPD«, bekräftigte er eine alte Legende der seit 1990 regierenden SPD. Beinahe hätte es darüber geheißen: »Es war einmal.« Aber nach einem fulminanten Endspurt durfte SPD-Generalsekretär Stohn sagen: »Ich bin sehr stolz auf meine Wahlkämpfer, die in den letzten 72 Stunden gelaufen und gelaufen sind.«

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