Werbung
  • Politik
  • Fusion zwischen SPD und LINKE

Laut über linke Einheitspartei nachgedacht

René Wilke, der Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), hält eine Fusion mit der SPD für diskussionswürdig

Nachdem die LINKE bei der Landtagswahl in Brandenburg am Sonntag von 18,6 auf 10,7 Prozent abstürzte, stehen Partei und Fraktion vor finanziellen Schwierigkeiten. Die Mitarbeiter der Fraktion, auf 17 Abgeordnete berechnet, haben Arbeitsverträge bis Dezember und müssen bezahlt werden. Eine Oppositionsfraktion bekommt in Brandenburg einen finanziellen Zuschlag von 25 Prozent. Den gibt es aber nicht, wenn es zu einer rot-rot-grünen Regierung kommt. Der Partei werden künftig die Spenden von sieben Landtagsabgeordneten fehlen. Vielerorts im Land hängen auch Gebietsgeschäftsstellen an Wahlkreisbüros von Abgeordneten. Die Verankerung im Lande droht verloren zu gehen.

In dieser Situation empfiehlt der Oberbürgermeisters von Frankfurt (Oder), René Wilke (LINKE), über eine Vereinigung mit der SPD nachzudenken. »Auch das noch. Das hat uns gerade noch gefehlt«, lautete am Dienstag eine der verblüfften Reaktionen. Als ob die Partei nicht schon genug andere Probleme habe. Nun noch so eine Debatte.

»Vergiss es!«, sagt Anita Tack, die von 1994 bis jetzt Landtagsabgeordnete war und nicht wieder kandidierte. »Wenn man so etwas ins Auge fasst, dann nicht aus einer Position der Schwäche heraus«, meint die 68-Jährige. Wenn eine kommende Generation das mache, dann sei das deren Sache. Aber: »Mit mir nicht, unter keinen Umständen!« Denn: »Wir wollen perspektivisch den Kapitalismus überwinden. Mit dieser SPD geht das nicht.« Sagt Anita Tack am Telefon in ihrem alten Landtagsbüro, das sie gerade ausräumt, und verabschiedet sich zu einer Bootstour mit der ebenfalls scheidenden SPD-Landtagsabgeordneten Jutta Lieske.

Der Denkanstoß des jungen Oberbürgermeisters findet aber auch Befürworter. Zumindest einmal in Ruhe darüber nachzudenken lohne sich, sagt Wilkes Kreisvorsitzender Jan Augustyniak. »Langfristig müssen wir uns die Frage stellen: Wie stellen wir uns auf?« Sei die LINKE überhaupt noch unterscheidbar von der SPD? Sozialpolitisch nicht so sehr, findet Augustyniak.

Selbstverständlich behauptete die SPD im Landtagswahlkampf immer noch, Hartz IV sei keine schlechte Idee gewesen. Da gibt es noch eine deutliche Differenz in der Beurteilung dieser umstrittenen Arbeitsmarktreform, die vor zwei Jahrzehnten von einer rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) in Angriff genommen wurde. Augustyniak hat am eigenen Leibe gespürt, was Hartz IV bedeutet. Er war als langzeitarbeitsloser Müller einige Jahre selbst betroffen.

In der Schröder-Ära zeigte sich auch ganz deutlich der zweite grundlegende Unterschied von SPD und LINKE. Damals, 1999, beteiligte sich die Bundesrepublik am NATO-Angriff auf Jugoslawien. Die LINKE ist eine Friedenspartei - unter den im Bundestag vertretenen Kräften die einzige Friedenspartei. »Daran müssen wir festhalten«, betont Augustyniak. Doch Kriege habe die LINKE als schwache Opposition leider nicht verhindern können. »Wir brauchen ein neues Grundsatzprogramm«, denkt Augustyniak. Das alte, 2011 in Erfurt beschlossen, liefere nicht mehr die notwendigen Antworten auf alle Fragen der Zeit. Der Kreisvorsitzende nennt als Beispiele die Digitalisierung der Arbeitswelt. Der Oberbürgermeister meine aber keineswegs, dass nun sofort ein Vereinigungsparteitag vorbereitet werden solle, erläutert Augustyniak. Es gehe um eine langfristige Option. Vielleicht in fünf Jahren, falls die Landtagswahlen dann noch schlimmer ausgehen sollten.

Es ist nicht das erste Mal, dass über eine Fusion von SPD und LINKE geredet wird. Der inzwischen verstorbene LINKE-Bundesvorsitzende Lothar Bisky hatte 2009 dem Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« auf die Frage geantwortet, ob die Zeit für einen Zusammenschluss nicht reif sei: »So schnell nicht. Da bin ich skeptisch. Das ist vielleicht ein Projekt der nächsten Generation. Die Geschichte hat zu viele Narben hinterlassen. Es hat zu lange Feindbilder gegeben.« Bisky, der viele Jahre PDS-Fraktionschef im Brandenburger Landtag war, fügte damals noch hinzu: »Aber die Jüngeren sind vernünftig genug, die werden sagen: Lasst die Alten doch dackeln, wir machen unser Zeug. Das finde ich auch in Ordnung.«

Im Jahr 2010 hatte Brandenburgs heutiger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bei einem nd-Pressefest in Berlin - halb im Scherz - angeregt, über eine Parteifusion nachzudenken. Wenige Monate nach dem Start einer rot-roten Koalition in Brandenburg sagte er: »Man kann sich natürlich die Frage stellen, ob es denn unmöglich ist, diese Zusammenarbeit enger zu gestalten. In welcher Form auch immer. Die Übereinstimmungen sind schon sehr, sehr groß.« Die rot-rote Koalition im Land Berlin - es gab sie von 2002 bis 2011 - sei sehr stabil. »Unsere Brandenburger Koalition wird sich ebenfalls als sehr stabil erweisen - weil die Grundwerte die gleichen sind.«

Seinerzeit war Woidke noch nicht Ministerpräsident, sondern Chef der SPD-Fraktion im Landtag. Der damalige Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE) reagierte auf Woidkes Bemerkung: »Wir können aus Erfahrung sagen, dass eine Parteifusion ein langwieriger Prozess und nicht so ganz einfach ist. Ich hätte gerne mal zwischendurch eine längere Pause.«

Erst 2007 war der Zusammenschluss mit der Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG) vollendet. Linke Sozialdemokraten hatten erst die WASG gegründet und waren dann zur neuen Linkspartei gekommen.

Unter dem noch frischen Eindruck der Befreiung vom Faschismus entschlossen sich einst Sozialdemokraten und Kommunisten, SPD und KPD 1946 zur Sozialistischen Einheitspartei (SED) zu verschmelzen. Teils hatten sie sich als KZ-Häftlinge geschworen, die Spaltung der Arbeiterparteien zu überwinden, wenn sie die Nazizeit überleben.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal