An- und ausgespart

sieben tage, sieben nächte

  • Lesedauer: 3 Min.

Selbstverständlich herrschen gewöhnlich Zucht und Ordnung auf nd-Redaktionssitzungen. Zügig und diszipliniert wird die nächste Ausgabe geplant; wer unqualifiziert dazwischenplappert, wird zur Raison gebracht.

Reden ausnahmsweise doch einige wild durcheinander und sind kaum zu stoppen, weil jeder noch eine bessere Anekdote auf Lager hat, während andere sich das Treiben schulterzuckend anschauen, da sie nichts beizutragen haben, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die aus dem Osten stammenden Kollegen von früher erzählen. Um die Zeit vor der Währungsunion ging es diese Woche und wie man hätte reich werden können, hätte man seine letzten Mark damals schlauer investiert als noch schnell in einen Lada. Das und auch was die Kollegen mit ihrem Begrüßungsgeld anstellten, können Sie vielleicht bald in dieser Zeitung lesen - entstehen doch die besten Textideen gern dann, wenn die Disziplin zu wünschen übriglässt. Verraten sei vorläufig nur so viel: Mindestens ein Kollege sparte die Hälfte seiner 100 D-Mark.

Bei allen Unterschieden: Gespart wurde in Ost wie West. Und das ist immer noch so. Aber jenseits bitterer Notwendigkeiten hat sich vieles verändert. Fürs Sparen wird der Kleinanleger nicht mehr mit Zinsen »belohnt«, der Einheitszins liegt quasi bei Null. Das Konto, gesetzt den Fall, es ist nicht leer oder überzogen, ist zum virtuellen hinteren Fach im Portemonnaie geworden und das Sparbuch zu etwas, das man nur noch besitzt wie ein überholtes technisches Gerät, mit dem nichts Sinnvolles mehr anzustellen ist.

Wer ein paar Euro auf der hohen Kante liegen hat, für den lautete die klägliche gute Nachricht der Woche: Der Bundesfinanzminister glaubt Möglichkeiten zu sehen, dass sich Negativzinsen für Kleinsparer vermeiden lassen. Weil Banken und Sparkassen nach Wegen suchen, wie sie ihre Verluste durch die EZB-Niedrigzinspolitik auch auf Privatkunden abwälzen können, ließ Olaf Scholz (SPD) prüfen, ob diese rechtlich davor geschützt werden können. Vor allem aber scheint er sich diesbezüglich auf die Klugheit der Bankvorstände verlassen zu wollen - besser also den Platz unter der Matratze noch freihalten.

In die Kritik geriet derweil der größte deutsche Sparer: der Staat. Sogar in der CDU gibt es inzwischen Stimmen, die in Zweifel ziehen, ob die Prämisse der sogenannten schwarzen Null, also keine neuen Schulden aufzunehmen, in Anbetracht eines drohenden Wirtschaftsabschwungs so sinnvoll sei. »Man spart nicht in eine Rezession hinein«, sagte etwa Uwe Schummer, der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion. Dem wäre natürlich noch einiges hinzuzufügen. Woher die absurde Situation rührt - großzügige Zentralbanken und knauserige Staaten in Europa -, erklärt Stephan Kaufmann (Seite 7). Alles Weitere sparen wir uns an dieser Stelle. Regina Stötzel

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