Mit jungen Wilden in die neue Eiszeit

Die Eisbären Berlin setzen in der neuen Saison auf etwas Erfahrung und viel Talent - und nehmen den Kampf um die Meisterschaft mit einem drastisch reduzierten Kader auf.

Die Eiszeit beginnt: Am Freitagabend ist die 26. Saison der Deutschen Eishockey Liga mit der Hauptrunde gestartet. Der zuletzt viel gescholtene Rekordmeister Eisbären Berlin will alles besser machen als in der Vorsaison. Nach dem Vizemeistertitel im Frühjahr 2018 war die nachfolgende Spielzeit ein Desaster. Mit Ach und Krach wurde nach dem neunten Platz in der Hauptrunde über die Pre-Playoffs noch das Viertelfinale erreicht. Hier kam dann das Aus gegen den Titelverteidiger und späteren Vizemeister EHC Red Bull München. Die Vereinsführung beschloss mit dem neuen 44-jährigen kanadischen Trainer Serge Aubin im Sommer den radikalen Schnitt: 15 Spieler wurden aussortiert, sodass der Kader auf nur 27 Spieler reduziert wurde. Renommierte Leute wie Jens Baxmann, Jamie MacQueen, Danny Richmond, Brendan Ranford, Colin Smith, Micki DuPont, Kevin Poulin, Mark Cundari, Thomas Oppenheimer, Daniel Fischbuch oder Martin Buchwieser mussten gehen.

Bislang wurden nur neun neue Spieler verpflichtet, darunter sind etliche Nachwuchskräfte vom Kooperationspartner Lausitzer Füchse aus der zweiten Liga. »Neben den Oldies setzen wir auf junge Wilde und wollen ihnen eine Chance geben«, kündigt Eisbären-Sportdirektor Stephane Richer an. Das sei das Ergebnis einer kritischen Analyse mit dem Fazit, dass die Förderung der eigenen Talente vernachlässigt wurde. Der totale Umbruch hat auch zur Folge, dass nur noch sieben Spieler mit deutschem Pass im Team stehen. »Das bietet Spielräume für weitere ausländische Verpflichtungen«, so Richer, »doch vorerst werden wir nicht weiter auf dem Transfermarkt tätig werden.« Dass unter den Neuen keine ausländischen Topspieler aus den Ligen in Schweden und Finnland sind, hat nach Vereinsangaben aber auch finanzielle Gründe: Die Gehaltsforderungen seien einfach zu hoch, so Manager Peter John Lee.

Viel Neues in der 26. DEL-Saison

Modus: Die 54 Spiele der Hauptrunde werden bis zum 8. März 2020 ausgetragen. Start der 1. Playoff-Runde mit maximal drei Spielen um den Einzug ins Viertelfinale, für das sich die besten Sechs der Hauptrunde direkt qualifizieren, ist am 11. März 2020. Die Viertelfinalserie mit maximal sieben Spielen beginnt am 18. März. Daran schließt sich die Halbfinalserie mit höchstens sieben Spielen ab 3. April an. Die über maximal sieben  Spiele gehende Finalserie beginnt am 17. April, sodass spätestens am 30. April der Deutsche Meister 2020 feststeht.  

Neuverpflichtungen: Die meisten neuen Spieler im Kader hat die Düsseldorfer EG mit 17 Neuverpflichtungen, gefolgt von den Iserlohn Roosters (16), den Wild Wings Schwenningen (15) und den Grizzlys Wolfsburg (13). 

Etatzahlen: Den höchsten Saisonetat hat einmal mehr der Titelverteidiger Adler Mannheim mit geschätzten 16 Millionen Euro. Es folgen Vizemeister EHC Red Bull München (15,5) und die Kölner Haie (12,5). Die Eisbären Berlin rangieren mit 12 Millionen Euro auf Rang vier.

Flexbanden: In 12 der 14 Arenen – ausgenommen in Straubing und Schwenningen  – gibt es ab dieser Saison belastungsreduzierende Bandensysteme, die im Zusammenspiel mit neuen Acrylglasscheiben das Verletzungsrisiko für die Spieler reduzieren sollen. Die Kosten belaufen sich auf 200 000 bis 350 000 Euro.

Game Center: So heißt der neue Situation Room der DEL. Nach dem Vorbild anderer Eishockey-Profiligen wird ein Beobachter pro Spiel anhand der TV-Übertragung ein Logbuch von jeder Partie erstellen und Auffälligkeiten notieren - von Verletzungen über verpasste Strafen bis zur Eisqualität und zum Fanverhalten. Man wolle damit schneller ungute Trends erkennen. Spielentscheidungen werden im Game Center keine getroffen. Die bleiben wie beim Videobeweis in den Händen der Schiedsrichter.

Regeländerungen: Sollte ein Spieler, gegen  den eine Strafe ausgesprochen wurde, diese aufgrund von Verletzung nicht antreten können, so muss kein Ersatzmann bestimmt werden, der die Strafe verbüßt. Es liegt in der Verantwortung der bestraften Mannschaft, den betreffenden Spieler erst in der ersten Unterbrechung nach Ablauf der Strafe wieder einzusetzen.

Bisher durfte ein verloren gegangener Schläger dem stocklosen Spieler von einem Mitspieler nur per Hand überbracht werden. Das Zuschieben des Schlägers auf dem Eis war untersagt und wurde bestraft. Ab sofort darf der Stock dem Mitspieler wieder flach auf dem Eis zugeschoben werden – nicht jedoch in Richtung des Pucks. Auch darf das gegnerische Team dabei nicht behindert werden.

Musste ein Spieler, der seinen Helm verlor, bislang sofort zur Bank ohne seinen Helm sofort wieder aufzusetzen, gilt im Sinne der Sicherheit ab dieser Saison, dass der Spieler seinen Helm sofort wieder aufheben und aufsetzen darf.

Ab sofort können nur noch 17 Feldspieler (18 in der vergangenen Saison) mit eine regulären Spielerlizenz pro Partie eingesetzt werden. Will die Mannschaft weiterhin 19 Feldspieler aufbieten, kann sie das nur mit zwei Spielern aus der Altersklasse U23 tun, die eine Spielberechtigung für die deutsche Nationalmannschaft besitzen. Jürgen Holz  

Unter den Neuverpflichtungen ragt der kanadische Mittelstürmer Maxim Lapierre heraus. Der 34-Jährige kommt vom Schweizer Klub HC Lugano und erhielt bei den Eisbären einen Zwei-Jahres-Vertrag. »Wir haben lange nach einem weiteren Mittelstürmer gesucht und in Maxim einen gefunden, der sehr viel Erfahrung mitbringt, defensiv verantwortlich spielt und mit seiner Einstellung einer der Führungsspieler sein kann.« Lapierre bestritt 694 Spiele in der nordamerikanischen Profiliga NHL, erzielte dort 72 Tore und verbuchte 82 Vorlagen. Mit den Vancouver Canucks erreichte er 2011 das Stanley-Cup-Finale. 2018 holte der Rechtsschütze mit dem Team Canada die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen. Viel versprechen sich die Berliner auch von den erst kurz vorm Saisonauftakt unter Vertrag genommenen Einladungsspielern: Der 32-jährige Stürmer Pierre-Cedric Labrie bringt viel NHL-Erfahrung mit, der 19-jährige deutsche Nachwuchsspieler Sebastian Streu war zuletzt in der kanadischen Juniorenliga aktiv.

Mit dem neuen Chefcoach Serge Aubin wurde ein profunder Kenner der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) verpflichtet. »DEL-Erfahrung war uns wichtig«, so Richer, »dazu starke Führungsqualitäten, Präsenz und eine gute Kommunikation. Außerdem muss er mit jungen Spielern arbeiten können.« Aubin, der Anfang August sein Amt in Berlin antrat, legte auch gleich den Finger in die Wunde: »In der letzten Saison waren die Eisbären viel zu häufig ihren Gegnern hinterhergefahren. Das wird sich ändern. Ich habe eine klare Vision davon, wie die Mannschaft spielen soll: Wir wollen einen Stil spielen, der schnell und dynamisch ist und auch die Leidenschaft repräsentiert, die unsere Fans kennzeichnet.«

Die Saisonvorbereitung verlief allerdings nicht reibungslos. In vier Testspielen gab es ausnahmslos Niederlagen. Aber nach dem erstmals nach vielen Jahren wieder absolvierten Trainingslager in den Dolomiten, das nach den Worten des Sportdirektors genutzt wurde, »um einen neuen Teamgeist zu entwickeln und eine veränderte Hierarchie herauszubilden«, zeichnete sich eine Wende zum Besseren ab mit Siegen auswärts gegen Hradec Kralove und HC Dynamo Pardubice sowie in Halle/Saale gegen den DEL-Konkurrenten Wolfsburg.

Besonders angetan war der Chefcoach vom zweiten Test in Pardubice eine Woche vor dem DEL-Start, der mit 2:0 gewonnen wurde. »Das war ein perfekter Abschluss der Vorbereitungsphase. Die Mannschaft ist als Team weiter zusammengewachsen. Besonders das Unterzahlspiel hat gut funktioniert. Im Powerplay suchen wir noch nach der richtigen Kombination. Aber auch hier werden wir uns auf jeden Fall noch verbessern.«

Hinsichtlich der Saisonziele spricht die Vereinsführung davon, dass man »mit alten Tugenden zu neuen Erfolgen« kommen wolle. Sportdirektor Richer wird konkreter: »Unser Ziel ist ein Platz unter den besten vier nach der Hauptrunde. Danach sehen wir weiter.« Weiter hinaus lehnt sich Coach Aubin: Das Ziel müsse sein, auch das allerletzte Saisonspiel zu gewinnen. Angesichts der Tatsache, dass der letzte der bisher sieben DEL-Meistertitel der Berliner vor sechs Jahren gefeiert wurde, klingen die vor jeder Saison wiederholten Titelambitionen wie eine Pflichtübung. Inwieweit die Eisbären mit dem gut betuchten Meister aus Mannheim, der letzte Woche ins Achtelfinale der Champions League gestürmt ist, und dem ähnlich finanzkräftigen Vizemeister aus München mithalten können, bleibt abzuwarten. Denn dahinter steckt die Ungewissheit, ob die jungen Talente an der Seite der Oldies tatsächlich die nötige DEL-Reife entwickeln.

Die Favoriten haben jedenfalls schon ihre Kampfansagen an die Konkurrenz gerichtet. »Die letzte Saison mit dem Titelgewinn soll erst der Anfang gewesen sein. Das war ein guter erster Schritt, dem weitere folgen sollen. Völlig klar: Wir wollen oben mitspielen«, so Mannheims Erfolgstrainer Pavel Gross. Die Erwartungen der Mannheimer Fans sind nicht minder groß. Bereits einen Monat vor Saisonstart waren 7600 Dauerkarten verkauft - das ist Vereinsrekord. Und auch in München hält man sich nicht zurück. »Nachdem wir drei Jahre lang die Gejagten waren und zuletzt den vierten Meistertitel in Folge an Mannheim abgeben mussten, hat sich an unserem Ziel nichts geändert. Wir sind gut aufgestellt und wollen den Meisterpokal«, sagt Manager Christian Winkler unumwunden.

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